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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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»Lessing wird schon bald einsehen, dass er nicht zu unseren Kreisen gehört. Selbst wenn sein Onkel ein großer Dichter war, dieser Lessing ist ein armer Schlucker.«
    »Kann er das Schiff etwa nicht bezahlen?«
    »Nicht zur Gänze. Seine Brüder haben ihm wohl Geld geborgt, aber das ist nicht genug gewesen. Er hatte gehofft, einen größeren Gewinn mit der letzten Salpeterfahrt zu machen, da aber drei weitere Schiffe mit Salpeter kurz vor ihm in Hamburg waren, hat er nicht den gewünschten Preis erzielen können.« Die Stimme ihres Onkels klang vergnügt. »Somit sind wir an dem Gewinn seiner nächsten Fahrt beteiligt. Noch zwei oder drei schlechte Fahrten, und das Schiff gehört wieder uns und er wird unter unserer Flagge segeln.«
    Emilia konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie wusste wohl, dass die Geschäfte des Onkels gut liefen, hatte sich aber nie für dessen Geschäftsgebaren interessiert.
    »Es ist wirklich einfach«, lachte ihr Onkel nun. »Diese Kapitäne ohne Geld im Hintergrund fallen immer wieder darauf herein. Wir mussten den Preis für das Schiff natürlich anheben, weil die Holzpreise gestiegen sind. Und je länger er nicht zahlen kann, umso höher steigt die Zinslast. Und damit schnappt die Falle zu.«
    »Du bist wirklich clever, mein Lieber. Und nur gut, dass dein Bruderin England so günstig Fahrten kaufen kann. Rickmers würde mir gut für Emilia gefallen, die Verbindung wäre sicher gewinnbringend.«
    »In vier Wochen ist Lessing wieder auf See. Dann wird sie ihn schnell vergessen haben. Auch wenn sie jetzt für ihn schwärmt, weiß sie wohl doch, dass sie nicht zur Kapitänsfrau geboren ist.«
    Emilia drehte sich um und ging wieder nach oben. In ihrem Zimmer legte sie sich auf ihr Bett. Tränen der Wut stiegen ihr in die Augen. Sie fühlte sich wieder einmal von ihrer Familie verraten. Auf keinen Fall wollte sie Onkel und Tante an diesem Tag entgegentreten.
    »Das Essen ist angerichtet«, sagte Rieke zwei Stunden später. Emilia lag immer noch auf dem Bett, ihre Tränen waren inzwischen getrocknet.
    »Ich habe Kopfweh. Entschuldige mich bei meiner Tante, dann kannst du mir aus dem Kleid helfen.«
    »Ihr wollt jetzt schon slopen?«, fragte Rieke verblüfft. »Ist doch noch hell draußen.«
    »Ja, Rieke.«
    »Soll ik Euch wat zu mümmeln bringen? Soop un Brood?«
    Emilia nickte dankbar und ließ sich mit der Kleidung helfen. Sie zog einen Morgenmantel über und setzte sich ans Fenster. Sollte sie Lessing darüber informieren, dass der Onkel ihn übers Ohr hauen wollte? Sie musste ihn darüber aufklären. Vielleicht konnte ihm einer seiner Brüder noch etwas mehr Geld leihen, so dass Lessing zumindest aus der Zinsenfalle kam. Und auf gar keinen Fall würde sie den Kontakt zu ihm abbrechen, jetzt erst recht nicht.
    Rieke brachte ihr ein Tablett mit leichten Speisen. »Einen schönen Gruß von der Mamsell, Ihr sollt kieken, ob Ihr noch etwas braucht.«
    »Und, Rieke, hast du nachgedacht?«, fragte Emilia, während sie die köstliche Hühnerbrühe löffelte.
    »Ach je, ach je«, seufzte das Mädchen. »Mien Kerl war heute wieder in der Köke. Eure Tante hat ihn gesehen und rausgeschmissen. Schadderbüddel wie ihn willse nicht sehn im Haus.«
    Emilia kniff die Augen zusammen. »Hast du der Tante gesagt, dass er dich heiraten will?«
    »Sie hat nicht wollen hören von sinn Plaan mit Amerika, hat ihn rausgeschmissen. Und mik wolltse ook nich hören.« Rieke wischte sich über die Augen. »Nächste Woche schon geht er wieder auf große Fahrt. Nach Amerika. Will kieken, was dort für uus möglich ist.«
    »Wenn es für euch eine Zukunft geben sollte, würdest du mitgehen?«
    Rieke nickte. »Wat soll ik hier? Magd oder Lüttdeern für mien Leven lang? Nee, nee. Dann lieber op dem Kahn und över de See. Schlimmer kanns nich sien dort.«
    »Ich finde es gut, dass er sich erst mal nach Möglichkeiten erkundigen will. Nach New York segelt man nur sechs bis acht Wochen. In drei oder vier Monaten kann er schon wieder zurück sein.«
    »Das hat er ook seggt. So mug wie datt. Un wenn er dort Arbeit hat für uus – und ein Slötel für de Zukunft, abrackern muss ik mich hier ook. Dann liever mit ihm zusammen.«
    Rieke wurde ihre Verbündete, gemeinsam hintergingen sie die Tante. Emilia hatte beschlossen, sich über das Verbot hinwegzusetzen. Sie traf sich heimlich mit Lessing, schrieb ihm Briefe. Das Mädchen schmuggelte sie aus dem Haus und brachte ihr seine Briefe. Auch Rieke und ihr Matrose verabredeten

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