Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Amerika? Wie schön, dass er dir schreibt.«
Wieso war sie gerade heute so besorgt?, fragte sich Emilia verärgert. Sonst kümmert es sie doch nicht, was ich treibe.
»Aber morgen wird es dir hoffentlich bessergehen«, fuhr Tante Minna fort. »Du hast doch die Einladung nicht vergessen? Godeffroys veranstalten eine Gesellschaft zu Ehren von Johan Cesar, der dir auch sehr wohlgesinnt scheint.«
»Das hatte ich nicht vergessen«, sagte Emilia lächelnd. »Soll ich das rote Kleid anziehen, oder ist das zu gewagt? Es kommen auch die Söhne von Herrn Jenisch, wurde mir gesagt.«
»Es kommt alles, was Rang und Namen hat.« Tante Minna richtete sich auf. »Und langsam wird es Zeit, dass du eine engere Auswahl bei deinen Bewerbern triffst, meinst du nicht? Das rote Kleid wäre dabei absolut förderlich.« Sie zog wissend die Augenbrauen hoch. »Ich lasse dir von der Mamsell etwas zu essen bringen, doch lösch bald das Licht, damit du morgen ausgeruht bist.«
»Ja, Tante, natürlich.« Sobald Tante Minna die Tür hinter sich geschlossen hatte, nahm Emilia den Bogen wieder hervor. Die ganze Nacht las sie, einen Brief nach dem anderen. Glückselig ging sie am nächsten Tag zu der Gesellschaft, kokettierte und plänkelte mit fast jedem jungen Mann. Ihre Tante und ihr Onkel sahen das mit Vergnügen.
Und so ging es die nächsten Wochen und Monate weiter. Heimlich las und schrieb sie Briefe, zeigte sich jedoch sehr charmant im Umgang mit etwaigen Bewerbern. Aber Emilia wusste, dass keiner dieser jungen Männer für sie in Frage kam. Sie hatte schon längst ihr Herz an Lessing verloren. Die Briefe, die sie einander schrieben, wurden immer inniger und vertrauter. Die Zukunft sprachen sie kaum an, beiden war bewusst, dass sie wahrscheinlich keine Aussicht auf ein gemeinsames Leben hatten. Frauen waren auf Schiffen und in der Seefahrt verteufelt, galten als Unglücksbringer, aber einige Kapitäne setzten sich darüber hinweg und nahmen ihre Ehefrau mit an Bord. Zumindest für einige Zeit oder einzelne Fahrten. Aber bei diesen Ehepaaren gab es wohl auch keine Standesunterschiede. Sobald sie Kinder hatten, war es natürlich schwieriger. Emilia hatte noch nicht von ganzen Familien auf einem Schiff gehört.
Wann immer sie konnte, fuhr sie auf das Gut in Othmarschen.Inken brachte ihr bei, wie man kochte, Kräuter einsetzte, kleine Wunden versorgte und so manch anderes mehr.
»Das wirst du nicht brauchen in deinem Leben, Emma«, sagte Inken immer wieder. Dann senkte Emilia den Kopf und schwieg.
Sie sehnte den Tag herbei, an dem Carl endlich wieder mit der »Lessing« in den Hamburger Hafen einlaufen würde. Doch vorher kam der Tag, an dem Rieke sie verließ. Ein gutes halbes Jahr nachdem ihr Liebster in See gestochen war, kam er zurück. Er hatte in New York abgemustert, sich nach Möglichkeiten für die beiden erkundigt und war auch fündig geworden. In Jersey suchte man Arbeitskräfte.
»Er seggt, dat gibt wat. Wir können dort malochen. Penunsen gibt es. Freien kann er mich ook.«
»Ach Rieke.« Emilia nahm das Mädchen in den Arm. »Und du willst wirklich?«
Rieke nickte heftig. »Dat Geld für die Passage hat er schon zusammen für mich. Trauen kann us de Kapitän. Nur abhauen müsst ik.«
»Und deine Familie?«
»Ach, die jiepern doch nicht nach mir. Denen bin ik egal.« Sie klang traurig. Doch dann hob sie das Kinn. »Helpt Ihr mir?«
»Natürlich. Was soll ich tun?«
»Ach, ik weeß nicht. Ik hab doch kein Plün und kein Kram. Nichts, was ich einpacken könnte. Und ik brauch doch Zeuchs.«
»Wir fragen die Mamsell.«
Rieke schüttelte den Kopf. »Nä, dat soll keener wissen.«
»Die Mamsell hilft dir, gewiss. Ich frag sie.«
Tatsächlich half die Mamsell, nachdem Emilia ihr alles erklärt hatte.
»Ich weiß nicht«, sagte sie erst und schüttelte den Kopf. »Das Mädchen macht Sachen. Erst die Geschichte mit dem Kind und nun, wo ich hoffte, dass sie sich gefangen hat, dies. Eurer Tante wird das gar nicht gefallen.«
»Meine Tante muss das nicht wissen. Wer weiß, ob sie Rieke überhaupt erkennen würde. Riekes Freier hat sich um alles gekümmert und Geld gespart für die Überfahrt. Er liebt sie und sie liebt ihn.«
»Die Liebe, ja, ja. Aber ob die über Jahre hält? Und was wird dann aus ihr?«
»Ob die Liebe hält, weiß niemand. Aber was wird aus ihr, wenn sie hierbleibt? Sie wird sich immer nach ihm verzehren. Gemeinsam haben sie hier keine Chance. Ich finde, sie sollten es zumindest
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