Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
sich im Geheimen. Sie schmiedeten Pläne für die Zukunft. Doch schon bald musste der Seemann zurück aufs Schiff.
»Pass bloß auf«, hatte Emilia das Mädchen ermahnt. »Nicht, dass er dir wieder ein Kind anhängt.«
»Ik bin doch nicht meschugge.« Rieke grinste, dann wurde sie wieder traurig. »Ich hoffe, er kommt gesund und mit guten Neuigkeiten zurück.«
Die »C. F. Lessing« war bald fertiggestellt. Emilia hatte Lessing vor dem Geschäftsgebaren ihres Onkels gewarnt und er konnte sich ein weiteres Mal Geld von seinem Bruder leihen.
»Ich bin meinem Onkel arg böse«, gestand Emilia Lessing.
Doch der schüttelte nur sanft den Kopf. »Euer Onkel ist ein Geschäftsmann. Was er macht, ist nicht unanständig, sondern gang undgäbe. Er will Geld verdienen, so wie ich auch. Nur möchte ich mein Schiff behalten«, sagte er lächelnd. »Zum Glück ist mein Bruder großherzig und unterstützt mich in meinen Plänen.«
Die Zeit schien zu rasen und schon näherte sich der Tag, an dem Lessing abreisen würde. Emilia wurde das Herz schwer. Sie hatten viele Gespräche miteinander geführt, ihr schien es, als würde sie ihn schon immer kennen.
Auch Lessing war betrübt über den Abschied, wenngleich er endlich sein eigenes Schiff segeln wollte.
»Ich möchte mit Euch in Kontakt bleiben«, gestand er ihr. »Doch mir missfällt der Gedanke, dass Eure Familie dies nicht gestattet.«
»Sei’s drum«, sagte Emilia. »Es gibt keinen Grund, unsere Freundschaft aufzugeben. Sie bedeutet mir viel. Ich habe mir einen Plan zurechtgelegt. Ihr schickt Eure Briefe an die Pension, in der Ihr jetzt wohnt. Ich habe mit der Wirtin schon ausgemacht, dass sie sie Rieke gibt.«
Und dann war er da, der Tag, an dem die »Lessing« in See stach. Emilia hatte sich davongeschlichen, sie wollte noch einen letzten Blick auf das Schiff werfen. Stolz lag es im Wasser, alles schien zu funkeln und zu glänzen.
»Leinen los«, hieß es und schon nahm die »Lessing« Fahrt auf. Dort oben stand er, kaum zu sehen, der Kapitän in seinem weißen Anzug. Das Schiff segelte die Elbe hinunter, wurde kleiner und kleiner. Traurig wandte Emilia sich um. Nun würden Monate vergehen, vielleicht sogar Jahre, bis zu einem Wiedersehen.
»Emma?« Es war ihr Onkel, der sie am Ellbogen fasste und wütend anblitzte. »Was machst du hier?«
Emilia zuckte mit den Schultern und blinzelte die verräterischen Tränen weg. »Es ist ein wunderschöner Anblick, wenn ein nagelneues Schiff in See sticht. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen, zumal die ›Lessing‹ ja von unserer Werft stammt.«
Onkel Hinrich sah sie misstrauisch an. »Du hattest doch keinen Kontakt mehr zu dem Kapitän, oder?«
»I wo!«, log Emilia. »Ich bin mit Andreas Rickmers verabredet, wargerade auf dem Weg zu ihm und dachte, dann kann ich auch mal eben am Hafen vorbeischauen.« Sie drehte sich um. »Rieke muss auch hier sein.«
Der Onkel schaute über die Menge, die sich versammelt hatte, aber nun wieder zerstreute. »Da hinten ist sie, glaube ich.«
»Siehst du, mein lieber Onkel.« Sie nahm seinen Arm. »Und überhaupt, was sollte ich denn mit Kapitän Lessing zu tun haben?«
»Ich weiß nicht. Er hat die fälligen Summen bezahlt«, brummte Onkel Hinrich. »Entgegen meinen Erwartungen.«
»Aber das ist doch gut«, sagte Emilia scheinheilig.
»Ja, ja.« Onkel Hinrich tätschelte ihre Hand. »Davon verstehst du nichts, das musst du auch nicht. Das sind keine Angelegenheiten für Frauen. Ihr müsst euch mit Fächern und Sonnenschirmen auskennen und derlei Tand. Und, wenn ich dich so anschaue, kannst du das hervorragend. Und nun lass Rickmers nicht warten.«
Noch am selben Abend schrieb sie Lessing den ersten Brief, dem viele weitere folgten. Nach drei Monaten kam Rieke endlich mit einem Packen Briefe aus der Stadt. Sie hatte sie unter ihrer Schürze versteckt. Begierig nahm Emilia sie ihr ab. »Entschuldige mich bei Tisch. Sag, ich hätte Kopfschmerzen.«
»Dir geht es nicht gut?«
Die Tante war so plötzlich in das Zimmer gekommen, dass Emilia es nur im letzten Moment schaffte, den Stapel mit dem Fuß unter das Bett zu schieben.
»Du hast Post?«, fragte Tante Minna irritiert. »Ich habe gar keine Briefe unten gesehen.«
»Ein Brief von Martin Amsinck«, log Emilia, faltete ihn zusammen und steckte ihn unter ihr Kissen.
»Wenn du Kopfschmerzen hast, solltest du nicht lesen.« Die Tante runzelte die Stirn, dann aber erhellte sich ihr Gesicht. »Post von Amsinck? Ist er nicht in
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