Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
an, schwiegen. Dann begannen sie beide gleichzeitig zu sprechen, hielten lachend inne.
»Hat Euch die Musik gefallen?«, fragte sie.
»Oh ja. Sie hat mich tief berührt und bewegt. Ich kann von solchen Eindrücken sehr lange zehren, das muss ich auch, denn außer dem unmelodiösen Gesang des Segelmachers und den schiefen Tönen, die die Matrosen ihren Instrumenten entlocken, gibt es keine Musik auf hoher See.«
»Pardon?« Rickmers drängte sich zwischen Emilia und Lessing. Er sah den Kapitän misstrauisch an.
»Das ist ein Bekannter«, erklärte Emilia. »Er lässt sein Schiff bei meinem Onkel bauen.«
Rickmers nickte Lessing zu. »Wir haben uns schon einmal gesehen«, erinnerte er sich, dann wandte er sich zu Emilia. »Wir sollten jetzt nach Hause gehen, bevor sich Eure Tante sorgt.« Er nahm ihren Ellbogen und zog sie mit sich.
»Darf ich Euch morgen aufsuchen?«, fragte Lessing noch schnell.
Emilia nickte.
»Auch wenn Ihr den Mann kennt, sieht er nicht so aus, als sei erdie passende Gesellschaft für Euch«, meinte Rickmers nachdenklich.
»Nur weil er nicht der letzten Mode entsprechend gekleidet ist und einen Vollbart trägt?« Emilia blieb empört stehen. »Ihr kennt ihn doch gar nicht. Wie könnt Ihr es wagen, so über jemanden zu urteilen?«
»Ich bin für Euch verantwortlich, mein liebes Fräulein Bregartner«, sagte Rickmers versöhnlich. »Ich wollte nicht, dass Euer Ruf Schaden trägt, wenn Ihr im Gespräch mit diesem Mann gesehen werdet. Falls Eure Tante nichts gegen eine Bekanntschaft mit ihm einzuwenden hat, dann ist ja alles gut. Aber bis dahin und wenn Ihr mit mir unterwegs seid, habe ich auf Euch zu achten.«
Emilia schnaubte. »Ich kann sehr wohl auf mich selbst achten.« Sie nahm Rickmers Arm, denn sie wollte keinen Streit mit ihm.
Hoffentlich, dachte sie, erwähnt er Lessing nicht vor der Tante.
Doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht.
»Ein wundervolles Konzert«, schwärmte Emilia. »Ich liebe Händel. Es ist, als ob die Töne meinen ganzen Körper durchziehen.«
»Es war wirklich schön«, bestätigte auch Rickmers. »In der nächsten Woche wird im Opernhaus ›Zar und Zimmermann‹ aufgeführt, eine Oper, die ich Euch wirklich sehr ans Herz legen möchte. Wenn Ihr wollt, liebes Fräulein Bregartner, besorge ich Karten.«
»Das wäre fantastisch. Von Lortzing habe ich bisher wenig gehört.«
»Gut, abgemacht. Aber dann dürft Ihr Euch nicht mit so grimmig aussehenden Männern unterhalten.« Er lächelte.
»Grimmige Männer?« Tante Minna horchte auf.
»Ein Scherz«, versuchte Emilia abzulenken. »Ich werde mir die Handlung der Oper vorher durchlesen. Sollen wir das nicht gemeinsam tun? Ich bin mir sicher, meine liebe Tante würde uns auch ein paar Leckereien reichen. Dann können wir das Stück schon vorab studieren.«
»Mit welchem Mann hast du gesprochen, Emma?«, hakte die Tante nach. »Jemandem, den wir kennen?«
»Aber ja doch. Kapitän Lessing war zufällig auch in der Kirche.« Emilia hielt die Luft an. Ihre Tante zog die Augenbrauen hoch.
Über Lessing verlor sie kein weiteres Wort, solange Rickmers noch da war, doch sobald der junge Mann sich verabschiedet hatte, sah sie Emilia streng an.
»Emma, ich dachte, wir hätten die Geschichte mit diesem Kapitän einvernehmlich geklärt? Ich wünsche nicht, dass du weiteren Umgang mit dem Herrn hast. Es schickt sich nicht.«
»Er war gestern Abend noch Gast in diesem Haus.« Emilia schob das Kinn vor.
»Aus geschäftlichen Gründen. Nicht jeder, mit dem wir geschäftlich zu tun haben, verkehrt auch gesellschaftlich mit uns. Du wirst den Namen Carl Gotthold Lessing auf keiner Einladungsliste unserer Freunde finden.«
»Natürlich nicht.« Emilia lachte auf. »Er ist ja auch fast immer auf den Weltmeeren unterwegs, wie soll er da zu Tiffins und Bällen gehen?«
»Nicht so schnippisch, junges Fräulein. Ich erwarte, dass du dich an mein Geheiß hältst und keinen Kontakt mehr mit ihm pflegst. Was sollen denn unsere Freunde von dir denken?«
Emilia verabschiedete sich zur Nacht, holte den Hund aus der Küche und stapfte wütend nach oben. Sie kann mir nicht vorschreiben, mit wem ich rede und mit wem nicht. Ich habe ja nicht vor, den Mann zu heiraten, er interessiert mich nur. Er ist so anders als Rickmers und Amsinck und all die anderen. Er ist keiner von diesen langweiligen Pfeffersäcken, die nur mit ihrem Geld prahlen.
Emilia setzte sich an ihren Schreibtisch und nahm einen Bogen Papier hervor, tauchte die Feder in die
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