Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
versuchen.«
Nachdenklich sah die Mamsell sie an, dann nickte sie. »Ihr habt recht. Also gut. Ich werde ihr eine kleine Aussteuer zusammenstellen. Auch für die Fahrt werde ich einiges für sie packen.«
Schneller als gedacht kam der Morgen, an dem das Auswandererschiff in See stechen sollte. Riekes zukünftiger Mann hatte als Matrose angeheuert und eine Passage für sie gebucht. Heimlich hatten Emilia und die Mamsell Sachen zusammengetragen und brachten sie im Morgengrauen zum Schiff. Rieke zitterte vor Kälte und Aufregung.
»Lass dir bloß kein Kind von ihm anhängen, bevor ihr nicht verheiratet seid«, ermahnte die Mamsell das Mädchen. »Ich habe dir warme Sachen eingepackt und Dauerwürste, teil das nicht mit jedem. Du bist ein gutes Kind, aber nun musst du an dich selbst denken.«
»Ja, Mamsell. Danke, Mamsell«, brachte Rieke hervor.
Emilia fand gar keine Worte. Ihr war das Mädchen richtig ans Herz gewachsen. Sie nahm Rieke fest in den Arm.
»Gib uns Nachricht«, flüsterte sie und schob das Mädchen dann zur Stiege.
»Ik kann nicht skibberen«, seufzte Rieke.
»Dann finde jemanden, der es kann«, beschwor Emilia sie.
Sie konnten nicht bleiben, bis das Schiff ablegte. Die Mamsell wurde in der Küche gebraucht und Emilia hatte um diese Uhrzeit noch nichts auf der Straße verloren.
Als sie wieder im Bett lag, weinte Emilia bittere Tränen. Rieke war ihr eine Freundin geworden, trotz des Standesunterschieds.
12. K APITEL
Die nächsten Monate zogen dahin. Im Sommer fuhr die Familie wieder nach Othmarschen. Emilia war gerade zwanzig geworden. Immer noch wurde sie heftig umworben.
»Ach«, sagte sie, als ihre Tante drängte, »ich kann mich einfach nicht entscheiden. Schließlich soll die Verbindung ja für ein Leben halten.«
»Papperlapapp!« Tante Minna schüttelte den Kopf. »Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Wenn du Glück hast, so wie ich, ist der Mann verträglich und ihr findet eine gemeinsame Basis. Wenn nicht, bekommst du ein paar Kinder, um die Erbfolge zu sicher, und dann geht man höflich seiner Wege. Das siehst du doch bei meinen Freundinnen. Immer dieses romantische Gerede von Liebe – das ist Unfug. Die Liebe kommt während einer Ehe oder nie.« Sie schnaubte. »Wenn ich da an unsere Magd denke, die einfach mit diesem dahergelaufenen Kerl abgehauen ist, die wird es bitter bereuen.«
»Rieke?«
»Genau die. Hätte ich gewusst, dass sie schwanger war, als die Mamsell sie einstellte, hätte ich dem gar nicht zugestimmt. Leichte Mädchen haben bei uns nichts verloren. Und meine Entscheidung wäre richtig gewesen, denn jetzt ist sie weg und wir mussten ein neues Mädchen in den Dienst nehmen.«
»Vielleicht wird Rieke aber glücklich«, seufzte Emilia.
»Unfug. Du wirst glücklich, wenn du dich endlich entscheidest. Du kannst doch nicht immer nur mit allen schäkern und dich hofieren lassen. Auf Dauer ist das kein Zustand. Bis Weihnachten möchte ich eine Entscheidung von dir.« Tante Minna drehte sich um und ging.
Ich habe mich bereits entschieden, dachte Emilia. In diesen Momenten wäre sie gerne vertrauter mit ihrer Mutter gewesen, aber die Briefe aus England blieben sachlich und kühl. Julius war nun vierzehn und wurde schon öfter vom Vater ins Kontor und zu Geschäften mitgenommen. Jasper, ihr Neffe, war gerade elf geworden. Er liebte es, inOthmarschen zu sein. Dort hatte er ein Pony und ritt über den Deich und die Chaussee. Mathilda war neun. Sie war ein stilles und verträumtes Mädchen und Emilia hatte sie sehr ins Herz geschlossen. In Hamburg lasen sie oft zusammen Bücher oder stickten, aber hier in Othmarschen hielt sich Emilia meist in der Küche bei Inken auf.
»Hast du etwas von Rieke gehört?«, fragte Inken.
»Ein kurzer Brief, dass sie angekommen seien, mehr noch nicht. Der Kapitän hat sie getraut, kurz vor New York. Während der Überfahrt darf niemand von der Mannschaft ein Fisternöllchen mit jemandem vom Passagierdeck haben. Auch nicht mit Frauen, die in der dritten Klasse fahren.«
»Aber sie hat das Land als anständige Frau betreten, das ist ein guter Anfang für ein neues Leben.«
Emilia biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf. Seit Rieke weg war, musste sie sich aus dem Haus schleichen und bei der Pension nach Briefen von Carl fragen. Damit hatte sie das Gefühl, ihre Familie noch mehr zu hintergehen. Das schlechte Gewissen nagte an ihr, dennoch wollte sie nicht von der Korrespondenz lassen.
»Was ist mit dir, mein Täubchen?« Inken war
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