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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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die Einzige der Dienstboten, die sie noch duzte, und Kosenamen hörte Emilia nur von ihr. »Nun sag schon, du hast doch etwas auf dem Herzen.«
    Und dann sprudelte es aus Emilia heraus. Die ganze Geschichte mit Kapitän Lessing, wie sie sich in ihn verliebt hatte und wie sie nun die Familie hinterging.
    »Was?« Schon nach wenigen Sätzen von Emilia hatte Inken ihre Hände an der Schürze abgewischt und sich neben sie auf die Bank gesetzt. »Und deine Tante weiß das alles nicht?«, fragte sie, nachdem Emilia sich ihr anvertraut hatte.
    Emilia rieb sich die Tränen von den Wangen und schüttelte den Kopf.
    »Liebt er dich denn?«
    »Ach, das weiß ich doch nicht. Ich glaube schon.« Emilia schniefte.
    »Darüber gesprochen, wie es mit euch weitergeht, habt ihr aber nicht?«, wollte Inken sachlich wissen.
    »Das schickt sich doch nicht.«
    Inken lachte laut auf. »Täubchen, alles, was du mir berichtet hast – sich heimlich treffen und Briefe schreiben –, schickt sich auch nicht.«
    »Ich weiß, und manchmal fühle ich mich ganz schlecht deswegen.«
    »Du wirst doch umschwärmt von den jungen Männern. Ist da denn keiner dabei?«
    Emilia holte tief Luft. Sie schüttete sich ein Glas Wein ein, trank und dachte nach. »Das frag ich mich auch die ganze Zeit. Aber niemand fesselt mich so wie Carl. Niemand kann mich so begeistern wie er. Wir haben gar nicht viel Zeit miteinander verbringen können, aber ich glaube zu wissen, wie er denkt und fühlt. Das habe ich bei keinem der anderen. Mit denen gehe ich zu Konzerten, treffe mich auf Gesellschaften und nehme am kulturellen Leben teil. Aber was diese Männer denken und fühlen, weiß ich nicht.«
    »Das weiß man oft nicht«, sagte Inken leise.
    »Du hast aber doch Mats geheiratet, weil du ihn liebst, nicht wahr?«
    »Ach, Täubchen, Liebe ist ein großes Wort. Zu groß manchmal für das Leben. Ich kannte Mats nun schon viele Jahre. Ich mochte ihn sehr und wir verstehen uns gut. Er bekam die Erlaubnis zu heiraten, weil er hier die feste Stelle hat. Somit hatten wir beide eine gemeinsame Lebensgrundlage. Dann kamen die Kinder, die wir beide lieben und nicht missen wollen. Wir mögen uns und können gut miteinander. Über Liebe, herrje, da denken wir nicht nach.«
    Emilia sah sie erstaunt an. »Das klingt so beliebig. Hättest du auch Ole gefreit?«
    Inken schaute aus dem Fenster in den Hof. Dort spielten die Kinder gerade mit Karamell. Sie warfen Stöckchen und der Hund brachte sie begeistert und laut kläffend zurück.
    »Nein«, sagte sie dann. »Zu Mats habe ich mich schon immer mehr hingezogen gefühlt als zu Ole. Mit Mats kann ich lachen, aber auch schimpfen, wir verstehen uns. Nicht immer, aber das ist dann wohlso. Ole mochte ich, aber mehr nicht. Küssen hätte ich ihn nicht können.« Sie sah Emilia an. »Vielleicht ist das Liebe. Hast du ihn schon geküsst, deinen Kapitän?«
    Emilia wurde rot. »Nur auf die Wange, zum Abschied.«
    »Es hat dir aber etwas bedeutet.« Inken nickte wissend. »Du bist zumindest in ihn verliebt. Ob es hält? Wer weiß das schon. Aber wie soll das gehen? Er ist kein armer Mann, er hat ein Schiff unter seiner Flagge. Aber er gehört nicht zu der Gesellschaftsschicht, in der dein Onkel und deine Tante verkehren, Täubchen.«
    »Das weiß ich. Wenn ich mich für Carl entscheide, dann ganz. Dann gehe ich mit ihm aufs Schiff, auf die große Fahrt.«
    Inken lachte leise auf. »Ach, Kind. Das geht doch nicht gut. Das kann nicht gutgehen.«
    »Ich will aber, dass es gutgeht.« Emilia schob das Kinn vor, und am liebsten hätte sie mit dem Fuß aufgestampft, dabei wusste sie, wie albern das war.
    »Und nun?«, fragte Inken leise.
    »Nun warte ich darauf, dass er zurückkehrt.«
    »Und dann willst du ihn heiraten und mit ihm auf große Fahrt gehen?«
    »Alles, was ich weiß, ist, dass ich mit ihm zusammen sein will.«
    Inken nickte. »Dann musst du das tun. Aber auf Teufel komm raus, wahrscheinlich. Denn wenn du es tust, und das sollte dir klar sein, gibt es kein Zurück mehr.«
    Das war auch Emilia bewusst. Obwohl die Briefe immer persönlicher und vertrauter wurden, hatten weder sie noch er von einer Zukunft gesprochen. Der letzte Brief, den sie von ihm bekommen hatte, war aus St. Vincent, wo er wegen eines verletzten Mannes länger bleiben musste als geplant. Er hatte das Schreiben einem anderen Segler mitgegeben und sie hatte es vor drei Wochen bekommen. Seitdem hatte sie nichts mehr gehört. Im Herbst wurde die »Lessing« wieder in Hamburg

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