Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
eine neue Order sorgen und mich um das Schiff kümmern. Lästige Dinge, aber wichtig für unsere Zukunft. Nur mit einer erfolgversprechenden Order und einem intakten Schiff kann ich an deinen Onkel herantreten und um deine Hand bitten. Gedulde dich also noch ein wenig.
Meine Gedanken sind bei dir, ich küsse dich und halte dich fest.
In Liebe
Dein Carl«
Enttäuscht faltete sie den Brief zusammen. Doch als sie über seine Worte nachdachte, wusste sie, dass er recht hatte. Ihr Onkel würde sie nicht heiraten lassen, wenn ihre Zukunft nicht gesichert wäre.
Wenn sie besser auf ihn zu sprechen wären, könnten wir heiraten und ich könnte hier im Haus verbleiben, während Carl auf große Fahrt ging. Aber das würde nicht möglich sein. Eine Heirat mit Lessing brachte der Firma keine Vorteile. Sie sollte einen aus den Familien der Pfeffersäcke, der reichen Händler, Reeder, Kaufleute oder Werftbesitzer, heiraten. Eine Verbindung, die dem monetären Wohl der Familie diente. Wahre Gefühle spielten dabei keine Rolle.
Ob ihre Eltern Lessing anders beurteilen würden? Ob ihr Vater einer Hochzeit zustimmen würde? Emilia glaubte nicht daran. Aber vielleicht war nun der Zeitpunkt gekommen, nach England zu reisen und ihn um seinen Segen zu bitten. Das Glück seiner Tochter konnte ihm doch nicht gleichgültig sein.
Doch wie sollte sie nach England kommen? Es gab für sie keine Möglichkeit, ohne die Einwilligung ihres Onkels zu reisen. Es war zum Verzweifeln!
Emilia setzte sich an ihren Schreibtisch, nahm Papier, Feder und Tinte hervor. Sie teilte Carl mit, dass ihre Tante erneut jeden Kontakt verboten hatte und dass Rieke nicht mehr in Hamburg weilte. Sie würden einen anderen Weg finden müssen, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Auch ein Treffen war schwierig. Zwar konnte sie sich hin und wieder unbeobachtet aus dem Haus schleichen, ohne eine Begleitung mitzunehmen, doch für ein längeres Gespräch würde die Zeit nicht reichen. Sie hoffte auf eine schnelle Lösung der Probleme und wünschte ihm alles Gute für das Gespräch mit seinen Brüdern.
Dann versiegelte sie den Brief und schlich sich in die Küche. Karamell lag vor dem Ofen und schaute erfreut auf, als Emilia eintrat. Die Mamsell besprach gerade mit dem Händler die Bestellungen für die nächsten Tage und schien sie nicht zu bemerken. Flugs schlich sich Emilia aus dem Hintereingang und eilte zu Lessings Pension. Er war nicht dort. Natürlich nicht, er hatte schließlich so viel zu erledigen.
Betrübt ging sie nach Hause, ganz in Gedanken versunken. Siestieg die Treppen hoch, öffnete die Haustür und stand ihrer Tante gegenüber.
»Emma?«
Erschrocken blieb sie stehen.
»Wo kommst du her, Emma?«
»Ich war nur ein wenig mit dem Hund unterwegs.«
»Allein? Willst du deinen Ruf noch weiter ruinieren? Oder hast du dich gar mit diesem Kapitän getroffen? Ich hatte dir das untersagt und ich wünsche nicht, dass du ohne Begleitung das Haus verlässt.« Die Tante stemmte die Hände in die Hüften. »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«
Emilia verkniff sich die schnippische Antwort, die sie auf den Lippen hatte, und ging an der Tante vorbei in die Diele.
»Emma, ich spreche mit dir! Was ist denn nur los mit dir? Du warst doch, bis auf diese Geschichte mit Lessing, immer zugänglich und einsichtig. Hast du mir nicht gerade erst versichert, dass du dich vermählen willst? Ist es Jenisch oder Amsinck? Oder etwa Rickmers?«
»Es ist keiner von ihnen«, sagte Emilia leise. »Mein Herz gehört jemand anderem.«
»Was?«
Emilia sah ihre Tante an. »Ich werde selbst entscheiden, mit wem ich mein Leben verbringen will, von welchem Mann ich Kinder bekommen möchte.«
»Das wirst du nicht.« Hart fasste die Tante Emilia am Arm und zog sie in das Hinterhaus, wo das Kontor des Onkels war. »Hinrich! Hinrich, wo bist du?«
»Lass mich los!«, rief Emilia empört. »Ich bin doch keine Dienstmagd.«
»Du benimmst dich aber so. Ich wusste, es war ein Fehler, die kleine Rieke zu beschäftigen, sie hat dich verdorben. Erst lässt sie sich ein Kind machen, dann haut sie auch noch ab. Unglaublich.« Plötzlich blieb die Tante stehen und kniff die Augen zusammen. »Du hast doch wohl nicht … bist doch nicht … ich meine … intim geworden?«
»Tante!«
»Na, ich traue dir alles zu, so, wie du dich benimmst. Ich schwöre dir, wenn du Schande über die Familie bringst, wird es keine Gnade geben. Hinrich!«
»Was ist denn los?« Der Onkel kam aus einem
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