Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
denn dagegen wog nichts auf, kein Personal, kein Essen und schon gar kein heißes Bad, dachte sie.
Er wollte sie. Er wollte um ihre Hand anhalten. Er wollte ein Leben mit ihr. Aber wie er sich das vorstellte, darüber hatten sie nicht gesprochen.
Eine Kapitänsfrau, die monatelang allein an Land war, während ihr Mann gegen die See kämpfte und fremde Länder bereiste, das wollte sie auch nicht sein. Sie wollte bei Carl sein von nun an.
Wie würde ihr Onkel reagieren? Wenn sie ihm klarmachte, dass es ihr Herzenswunsch war, alles, was sie wollte! Würde er dann zustimmen? Emilia konnte sich das nicht vorstellen.
Es wird einen Weg geben, dachte sie trotzig. Und wenn ich ihn ganz allein gehe. Nein, nicht ganz allein, ab nun nie wieder. Denn von jetzt an würde Carl an ihrer Seite sein. Für immer und immer und immer.
Es klopfte und die Tür öffnete sich. Statt eines der Mädchen war die Mamsell persönlich gekommen. Sie sah Emilia ernst an.
»Ich werde Euch behilflich sein«, sagte sie knapp.
Ihr strenger Ton brachte Emilia auf den Boden der Tatsachen zurück. Carl hatte sich ihr erklärt und ganz bestimmt würden sie einen Weg finden, aber leicht würde es nicht werden.
»Ich weiß«, sagte die Mamsell, als sie die Schnüre des Kleides löste, »dass Ihr Euch mit Rieke viel besser verstanden habt als jetzt mit Tine. Rieke war ein sehr herzliches Mädchen, das fehlt Tine. Trotzdem ist sie fleißig und aufmerksam.«
»Ich weiß.« Emilia senkte beschämt den Kopf.
»Nun droht Tine, ihre Arbeit zu verlieren. Ihr wisst, wie schwer es für junge Mädchen in dieser Stadt ist, eine Stelle zu bekommen.«
»Ja.«
Die Mamsell schwieg, Emilia brannte die Schamesröte im Gesicht.
»Ich werde das alles klarstellen«, sagte Emilia leise.
»Wann?«
»Schon bald.«
»Ich fürchte, Eure Tante wird eine schnelle Entscheidung fällen. Es war nicht recht von Tine, dass sie Euch im Hafen alleingelassen hat. Es war auch nicht recht von ihr, böse Worte über Euch zu verlautbaren. Ich nehme auch an, dass Tine übertrieben hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Euch tatsächlich unzüchtig verhalten habt.«
Diesmal schwieg Emilia.
»Das habt Ihr doch wohl nicht?«, fragte die Mamsell nach. »Nicht, nachdem Ihr wisst, wie es Rieke ergangen ist. Oder habt Ihr etwa das arme, kleine Kind vergessen, das so jung sterben musste? War Euch das nicht eine Warnung?«
»Doch, natürlich. Und ich habe mich auch nicht unzüchtig verhalten.« Emilia drehte sich zur Mamsell um.
»Nun, ich weiß von Eurem heimlichen Briefverkehr.«
»Woher?« Sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
»Ich habe Rieke erwischt. Da ich aber bemerkt habe, wie wichtig Euch die Briefe sind, habe ich ein Auge zugedrückt und es nicht Eurer Tante gemeldet. Auch das Versteck im Dielenboden unter Eurem Bett habe ich übersehen.« Sie seufzte. »Ich fürchte aber nun, dass das ein Fehler war.«
»Nein, das war es nicht«, beteuerte Emilia.
»Eure Tante hatte ihre Gründe, weshalb sie Euch den Kontakt zu diesem Mann untersagt hat. Wenn sie nun erfährt, dass Ihr sie hintergangen habt und ich davon wusste, wird es mich die Stelle kosten. Und das möchte ich nicht riskieren. Es ist harte Arbeit und Eure Tante ist sehr anspruchsvoll, aber ich werde gut bezahlt und habe hier ein Zuhause gefunden, welches ich nicht verlieren möchte.«
»Ja.« Emilia biss sich auf die Lippen, Tränen schossen ihr in die Augen. »Aber ich liebe ihn. Ich liebe ihn von Herzen und er liebt mich.«
Die Mamsell holte tief Luft. »Fräulein Emma, ich mag Euch sehr gerne, aber ich glaube, Ihr seid gerade dabei, eine große Dummheit zu begehen.«
»Nein.« Emilia streckte das Kinn vor.
»Oh doch. Wollt Ihr Euch wirklich unter Eurem Stand verbinden? Euer Onkel wird das nicht zulassen. Steigert Euch doch nicht in ein so unsinniges Unterfangen hinein. Romantische Liebe.« Sie schüttelte den Kopf. »So viele junge Männer himmeln Euch an. Da wird doch einer dabei sein, dem Ihr auch wohlgesinnt seid.«
»Aber ich liebe Carl Gotthold.«
»Liebe, so ein großes, unnützes Wort. Im Leben kommt es auf andere Dinge an. Ihr seid nicht dazu geschaffen, eine arme Kapitänsfrau zu sein.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Emilia trotzig. »Meine Tante muss nicht erfahren, dass Ihr von den Briefen gewusst habt. Und das mit Tine werde ich auch regeln, verlasst Euch darauf.«
»Nun gut, ich kann mir nicht vorstellen, dass Euer Onkel dem zustimmt, aber das werden wir ja sehen.« Sie
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