Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
geworden und Onkel Hinrich interessierte das Gut nur dann, wenn es Geld kostete. Außerdem war Emilia quasi bei ihnen in der Küche groß geworden, sie hatten ein inniges Verhältnis zu ihr.
Inken goss den Tee auf, legte Brot und Butter, frischen Speck und eingelegte Gurken auf ein Tablett und trug es in den Salon. Hier roch es staubig und die Luft war kühl, doch im Kamin prasselte das Feuer, so dass die Funken stoben. Unschlüssig blieb Inken stehen.
»Nun setz dich schon«, lachte Emilia, erleichtert über die liebevolle Aufnahme in ihrem Elternhaus. »Es sind nur Sessel.«
»Ja, aber sie sind nicht für uns bestimmt.«
»Sitzt ihr denn nie hier? Ich meine, Onkel und Tante sind doch nur wenige Tage, vielleicht ein paar Wochen im Jahr hier draußen. Nutzt ihr die Räume nicht, wenn keiner da ist?«
»I wo, das würden wir nie wagen. Wir haben die Küche und unsere kleine Stube im Gesindetrakt. Die Küche ist immer geheizt und die Stube ist schnell warm, anders als hier.«
Emilia sah sich um. »Warum sind wir dann nicht dort?«
»Das gehört sich nicht, Emma.« Inken seufzte. »Wie soll es nun weitergehen mit dir und deinem Kapitän? Weiß er, dass du hier bist?«
Emilia schüttelte traurig den Kopf. »Ich habe ihm eine Nachricht geschrieben, konnte sie ihm aber nicht mehr überbringen. Und von hier aus habe ich keine Möglichkeit, Kontakt zu ihm aufzunehmen.«
Inken dachte nach. »Kann Tine schreiben?«
»Nur wenig, wenn überhaupt. Wieso?«
»Wenn sie nicht schreiben kann, wie soll sie dann nach Hamburg berichten?« Inken grinste.
»Aber wie kann ich ihm Nachrichten zukommen lassen?«
»Das macht der Bursche, den werden wir schicken. Und wenn dein Kapitän kommen will, dann trefft ihr euch bei Jörgensens. Deine alte Freundin wirst du auch ohne Aufsicht besuchen können. Morgen schon gehst du hin, zusammen mit Tine. Mach es so langweilig wie möglich. Vielleicht fällt uns auch eine Aufgabe für sie ein, die sie dann nicht noch mal machen möchte.« Inken lachte leise, dann wurde sie ernst. »Aber überlege dir gut, mein Täubchen, was du willst und was du tust. Dein Onkel und deine Tante haben nicht unrecht. Sie wollen dir nichts Böses, sie wollen dich nur gut und sicher verheiraten. Als Frau eines Kapitäns ist deine Zukunft ungewiss, besonders, wenn deine Familie dich nicht unterstützt.«
»Das weiß ich.« Emilia seufzte und nippte am Tee. »Ach, Inken, ich kann das nicht machen – das mit dem Boten und mit dem Treffen. Wenn meine Tante das erfährt, dann schmeißt sie euch raus.«
»Das werden wir schon deichseln, mein Kind. Wir wussten es einfach nicht. Und wenn sie Mette zürnt, nun, dann tut sie es eben.« Inken lachte. »Aber jetzt musst du etwas essen. Und ich gehe nach obenund kontrolliere dein Zimmer. Und dann schaue ich, wo ich Tine unterbringen kann.«
»Ich fand es ganz schrecklich, die Stadt verlassen zu müssen, aber nun freue ich mich, dass ich hier bin«, sagte Emilia dankbar.
Sollte es wirklich möglich sein, Carl hier in Othmarschen zu treffen? Er war so eingebunden in all die Dinge, die geschäftlichen Vorgänge, dass er kaum Zeit haben würde, hinauszufahren oder zu reiten. Doch sein Herz sollte genau wie ihres daran hängen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Emilia biss in das köstliche Brot, das sie mit der frischen Butter bestrichen hatte, und nahm sich ein Stück des selbstgeräucherten Schinkens. Endlich, nach diesem langen und ereignisreichen Tag, fühlte sie wieder so etwas wie Zuversicht.
Am nächsten Morgen war der Nebel verschwunden. Emilia hatte wunderbar in ihrem alten Zimmer geschlafen. Sie sah ihre Kleider durch. Was konnte sie anziehen, ohne dass jemand ihr das Mieder schnüren musste? Wie machte Inken das nur? Sie musste sie unbedingt fragen. Ein Kleid fand sie, das sie ohne Schnürmieder tragen konnte, das keine Wespentaille hatte und nicht im Rücken geknöpft wurde. Nachdem sie sich gewaschen hatte, zog sie es an. Ungewohnt war es, die Kleidung allein anzulegen. Sie ging nach unten, aus der Küche duftete es schon nach Rührei und frischem Kaffee.
Inken lächelte ihr entgegen. »Der Bursche ist schon unterwegs nach Hamburg.«
Emilia hatte in der Nacht noch einen neuen Brief an Carl verfasst.
Seufzend setzte sich Emilia auf die Küchenbank. »Wo ist Tine?«, fragte sie leise.
»Oh, die habe ich in den Garten geschickt, die letzten Erbsen und Bohnen ernten. Da hängt nicht mehr viel, da wird sie suchen müssen. Danach darf sie das Fallobst
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