Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
der hinteren Räume.
»Hinrich, deine Nichte benimmt sich unmöglich. Sie trifft sich mit diesem Kapitän, diesem Lessing. Er ist seit gestern wieder in der Stadt und geschrieben hat er ihr auch.«
»Emilia?«, der Onkel sah sie streng an. »Ist das wahr?«
Emilia hob den Kopf und streckte die Schultern. »Ja. Er bedeutet mir viel.«
Onkel und Tante wechselten einen missmutigen Blick.
»Du weißt, dass wir das nicht wünschen. Dieser Mann ist kein Umgang für dich. Ich untersage dir auf das Schärfste jeglichen Kontakt zu ihm, egal, auf welche Weise. Und treffen wirst du ihn schon gar nicht. Das ist keine Bitte, Fräulein.«
Emilia starrte ihn wutentbrannt an.
»Geh auf dein Zimmer. Sofort. Und denke darüber nach, wie man sich zu verhalten hat«, sagte Onkel Hinrich ernst.
Sie lief nach oben und setzte sich aufgebracht an ihr Fenster. Hier war sie nun gefangen, in diesem goldenen Käfig.
Eine Stunde später kam die Mamsell nach oben und brachte ihr eine Kleinigkeit zu essen. »Tine kommt gleich und wird Eure Sachen packen.«
»Packen? Verreisen wir?« Würde ihr Onkel sie nach England schicken, zu ihren Eltern? Ein Hoffnungsfunke flammte in ihr auf. Ihre Eltern würden sicher nicht so herzlos und gemein sein, sie würden Verständnis für ihre Tochter haben.
»Ihr verreist. Nach Othmarschen. Zusammen mit Tine. Sie soll ein strenges Auge auf Euch haben.«
Emilia sackte in sich zusammen. All ihre Wünsche schienen zu zerschellen, wie ein Glas, das gegen einen Felsen geworfen wurde.
13. K APITEL
Es war schon spät und dunkel, Nebel hatte sich über den Deich gelegt, als die Kutsche vor dem Haus hielt. Sie waren so überstürzt abgereist, dass kein Bote geschickt werden konnte, um sie anzukündigen.
Mats kam auf den Hof, hielt eine Laterne hoch. »Wer da?«, fragte er grimmig.
»Ich bin es, Mats«, sagte Emilia leise.
»Fräulein Emma? Was macht Ihr denn hier? Ist etwas mit der Familie?«
»Ne, nur mit dem Fräulein selbst«, sagte Tine schnippisch und sprang hinter Emilia aus dem Wagen. »Ich habe einen Brief für dich und deine Frau.«
Inken war vorsichtig an der Küchentür stehen geblieben, doch nun lief sie auf den Hof.
»Emma, mein Täubchen. Bist du krank?«
Emilia schüttelte den Kopf.
Inken schaute Tine fragend an, nahm dann den Brief entgegen. »Nun kommt erst einmal rein. Habt ihr Hunger? Ich habe frisches Brot gebacken. Oh weh, die Zimmer sind nicht gerichtet.«
»Macht dir keine große Mühe«, seufzte Emilia. Dann schaute sie zu Tine. »Bring meine Sachen in die Mansarde und pack sie aus. Du kannst mein Bett beziehen, das muss Inken nicht machen. Schließlich bist du meine Dienstmagd«, fauchte sie.
Verwundert sah Inken sie an. »Ich werde einen Tee aufbrühen«, sagte sie nachdenklich. »Hopfen und Melisse, das beruhigt die Nerven.«
Emilia folgte ihr in die Küche, sog den vertrauen Duft des Holzfeuers im alten Ofen, nach frischem Brot und getrockneten Kräutern ein.
»Was ist passiert, Emma?«, fragte Inken besorgt und setzte den Wasserkessel auf den Herd.
»Willst du nicht erst die Briefe lesen? Einer ist von der Tante und der andere von Mamsell. Ich bin in Ungnade gefallen.«
»Wegen …?« Inken schaute zum Flur, ging zur Küchentür und schloss sie. »Wegen IHM?«
Emilia nickte.
»Und was ist mit Tine? Warum warst du eben so garstig zu ihr?«
»Sie hat mich verraten und soll mich hier bewachen.« Emilia wischte sich die Tränen aus den Augen. »Bitte gib ihr nicht Sofies Zimmer. Bitte nicht. Ich kann sie nicht ertragen. Und der Gedanke, dass sie in diesem Zimmer schläft, ist grausam.«
»Ist gut«, sagte Inken nachdenklich. »Sie kann im Dienstbotentrakt schlafen. Oder«, dann grinste sie, »in der Remise.«
»Nein, sie würde es erzählen und du würdest Ärger bekommen. Ich war nicht ganz fein, was Tine angeht, aber sie hat mir keine andere Wahl gelassen.« Und dann erzählte Emilia der Magd alles.
Mats brachte das Gepäck nach oben. Zwischendurch kam er immer mal wieder kurz in die Küche und schnappte das ein oder andere auf.
»Das Gör ist gleich fertig mit dem Zimmer«, brummte er. »Ich habe im Salon Feuer gemacht. Da könnt ihr beide schnacken. Ich werde schauen, dass sie in der Küche keinen Unfug macht. Und morgen holen wir Katja von den Jörgensens zum Helfen.« Er zwinkerte ihnen zu.
Mats und Inken sahen immer noch Emilias Eltern als ihre Herrschaft an und Emilia war deren Nachfolgerin. Tante Minna war nie wirklich mit der alten Dienerschaft warm
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