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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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treffen mich ihre Worte umso tiefer – weil ich weiß, dass sie nur mein Bestes im Sinn hat. »Ich bin mit einem wunderbaren Mann verheiratet. Ich habe zwei wundervolle Kinder und eine gute Arbeit. Ich führe ein gutes Leben.« Sie hält mir das Stück blauen Satin hin. »Weißt du, was passieren würde, wenn ich das Glas zerbräche?«
    Ich nicke. »Der Stoff würde zerfallen. Er wäre ruiniert.«
    »Ja«, sagt sie, fast zu sich selbst. »Er wäre ruiniert. Alles wäre ruiniert.«
    Dann legt sie mir die Hand auf den Arm. »Erinnerst du dich an das, was ich gesagt habe, als die Bäume gefällt wurden?«
    Natürlich erinnere ich mich. »Dass es eine Warnung für dich sei?«
    »Ja.« Sie errötet. »Das war nicht richtig. Ich hatte solche Angst, dass ich nicht rational denken konnte. Natürlich war das keine Warnung für mich. Es war gar keine Warnung. Die Bäume mussten einfach gefällt werden.«
    Ich höre ihrer Stimme an, wie sehr sie sich wünscht, dass es wahr ist, was sie, dass sie vielleicht sogar selbst fast daran glaubt. Da ich mehr hören, sie aber nicht zu sehr bedrängen will, frage ich: »Was war denn so wichtig an diesem Bericht? Warum war er anders als andere Berichte, die du früher geschrieben hast?«
    Meine Mutter seufzt. Sie antwortet mir nicht direkt, sondern sagt stattdessen: »Ich weiß nicht, wie die Arbeiter im medizinischen Zentrum damit fertig werden, wenn sie Menschen behandeln oder Babys auf die Welt bringen müssen. Es ist eine zu schwere Verantwortung, über Menschenleben entscheiden zu müssen.«
    Meine unausgesprochene Frage hängt in der Luft:
Was meinst du damit?
    Sie stutzt und scheint sich zu fragen, ob sie mir antworten soll oder nicht, und ich bleibe vollkommen reglos sitzen, bis sie fortfährt. Gedankenverloren nimmt sie ihr Stoffmuster in die Hand und fängt an, das Glas zu polieren.
    »Aus Grandia und auch aus einer anderen Provinz gab es Berichte, über das plötzliche Auftauchen von ungewöhnlichen Pflanzen. In Grandia ging es um ein Forschungsfeld im Arboretum, auf einem Acker, der lange Zeit brachgelegen hatte. Das andere Feld war im zweiten Landwirtschaftsgebiet. Die Regierung beauftragte mich und zwei meiner Kollegen, hinzufahren, sich diese Felder genauer anzusehen und einen Bericht darüber zu verfassen. Sie wollten zweierlei wissen. Erstens: Kann man die Gewächse als Nahrungsmittel verwenden? Und zweitens: Planen die Pflanzer eine Rebellion?«
    Ich halte die Luft an. Es ist verboten, Nahrungsmittel anzubauen, wenn die Regierung nicht den Auftrag dazu erteilt. Sie kontrolliert die Nahrungsmittel, sie kontrolliert uns. Einige wissen, wie man Nahrungsmittel anbaut, andere wissen, wie man sie erntet, wieder andere, wie man sie verarbeitet oder wie man sie zubereitet. Aber keiner von uns kennt sich mit dem gesamten Prozess aus. Wir könnten niemals selbständig überleben.
    »Wir waren uns alle drei einig, dass die angebauten Pflanzen als Nahrungsmittel hätten verwendet werden können. Im Arboretum hatte jemand ein ganzes Feld Queen Anne’s Lace angepflanzt«, erzählt meine Mutter, und ihre Augen strahlen plötzlich. »Oh, Cassia, es war so wunderschön. Ich habe bisher immer nur hier und da eine einzelne Pflanze gesehen, aber dort hatten sie ein ganzes Feld, das sich im Wind wiegte.«
    »Wilde Möhre«, sage ich, denn ich weiß noch, wie meine Mutter mir von dieser Blume erzählt hat.
    »Wilde Möhre«, stimmt sie mir mit trauriger Stimme zu. »Der zweite Pflanzer hatte Gewächse angebaut, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, mit weißen Blüten, noch schöner als die der Wilden Möhre. Ein Kollege wusste, dass es Mormonentulpen waren, deren Zwiebeln genießbar sind. Beide Pflanzer behaupteten, nicht gewusst zu haben, dass die Gewächse essbar seien. Sie hätten sie nur als Zierblumen angebaut. Sie beharrten darauf, dass ihnen die Pflanzen unbekannt gewesen seien und sie sie lediglich zu Forschungszwecken gesät hätten, weil sie die Blüten untersuchen wollten.«
    Die Stimme meiner Mutter, die so sanft und traurig geklungen hat, als sie von dem Feld Wilder Möhre erzählte, wird fester. »Bei der zweiten Reise haben meine Kollegen und ich auf dem ganzen Nachhauseweg darüber diskutiert. Einer der Experten war davon überzeugt, dass die Pflanzer die Wahrheit sprachen. Der andere glaubte, sie würden lügen. Beide gaben daraufhin vollkommen gegensätzliche Berichte ab. Deshalb erwarteten alle mein Urteil. Ich bat um eine letzte Reise, um ganz sicherzugehen.

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