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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Schließlich sollten die Pflanzer je nach Ergebnis unserer Untersuchung umgesiedelt oder reklassifiziert werden. Mein Bericht war der ausschlaggebende.«
    Sie hört auf, das Glas zu polieren, und blickt hinunter auf das Stück blauen Stoff, als stehe etwas darauf geschrieben. Und tatsächlich bedeutet ihr dieses Muster sehr viel. Dieser blaue Stoff repräsentiert den Abend, an dem sie mit meinem Vater gepaart wurde. Sie liest darin ihr Leben, das Leben, das sie liebt, in diesem blauen Satinviereck.
    »Ich wusste es von Anfang an«, flüstert sie. »Ich wusste es, als ich bei unserem ersten Besuch die Angst in ihren Augen las. Sie wussten, was sie taten. Und bei unserem zweiten Besuch sagte der Pflanzer der Wilden Möhre etwas, das mich nur noch in meiner Überzeugung bestärkte. Er behauptete, die Blume vorher nirgendwo sonst außer auf dem Terminalbildschirm gesehen zu haben. Aber er stammte aus einer Stadt in der Nähe meiner Heimat, und daher wusste ich, dass er die Blume schon in freier Natur gesehen haben musste.
    Trotzdem habe ich noch immer gezögert. Aber als ich nach Hause kam und euch alle gesehen habe, erkannte ich, dass ich die Wahrheit berichten musste. Ich musste meine Pflicht der Gesellschaft gegenüber erfüllen und unser Glück bewahren. Und uns alle schützen.«
    Das letzte Wort,
schützen
, bringt sie flüsternd hervor, leise wie das Rascheln von Seidenstoff.
    »Ich verstehe«, sage ich, und das ist die Wahrheit. Ihre Worte haben einen viel größeren Einfluss auf mich, als was die Funktionäre sagen. Denn meine Mutter liebe und bewundere ich.

    Zurück in meinem Zimmer entdecke ich das Silberetui, das in einen meiner Winterstiefel gefallen ist. Ich öffne es und nehme den Mikrochip mit allen Informationen über Xander und den Verlobungsrichtlinien heraus. Wenn es keinen Fehler gegeben hätte, wenn ich nur sein Gesicht gesehen hätte und alles normal verlaufen wäre, wäre nichts von alledem geschehen. Ich hätte mich nicht in Ky verliebt, und die Entscheidung bei der Sortierung wäre mir nicht so schwergefallen. Alles wäre in Ordnung gewesen.
    Aber es könnte sich ja auch noch alles zum Guten wenden. Wenn die Sortierung das bezweckt, was ich vermute, wenn Ky fortgeht, um ein besseres Leben zu führen, kann ich dann hier noch die Scherben kitten? Es würde mir nicht schwerfallen, rund um das wichtigste Stück, meine Paarung mit Xander, ein Leben aufzubauen. Ich könnte ihn lieben. Ich liebe ihn wirklich. Und deswegen muss ich ihm von Ky erzählen. Die Gesellschaft zu hintergehen macht mir nichts aus. Wohl aber, Xander etwas vorzumachen. Ich muss es ihm gestehen, auch wenn es wehtut. Denn wie es auch kommen mag: Das Leben, das ich mir aufbaue, muss auf Wahrheit beruhen.
    Der Gedanke, Xander alles zu beichten, tut fast genauso weh wie die Vorstellung, Ky zu verlieren. Ich wälze mich herum und halte den Tablettenbehälter fest in der Hand.
Ich muss an etwas anderes denken!
    Ich denke daran, wie ich Ky zum ersten Mal auf der Kuppe des kleinen Hügels sitzen sah, zurückgelehnt, die Sonne im Gesicht, und mir wird klar, dass ich mich tatsächlich damals in ihn verliebt habe. Also habe ich ihn nicht wirklich belogen. Ich habe ihn nicht mit anderen Augen gesehen, nur weil sein Gesicht am Morgen nach meiner Paarung auf dem Terminal-Bildschirm aufgetaucht ist – ich habe ihn deshalb mit anderen Augen gesehen, weil ich ihn draußen in der Natur erblickt habe, in einem Moment, in dem er sich unbeobachtet fühlte und seine Augen die Farbe des Abendhimmels annahmen, kurz bevor es dunkel wird. Ich habe gesehen, wie er mich sah.
    Wie ich hier in meinem Bett liege, erschöpft und verletzt an Körper und Seele, sehe ich ein, dass die Funktionäre recht haben. Sobald man in einer Hinsicht etwas anderes will, verändert man das Ganze. Ja, inzwischen will ich alles. Mehr und mehr und mehr. Ich möchte mir meine Arbeitsstelle aussuchen. Heiraten, wen ich will. Kuchen zum Frühstück essen und auf einer echten Straße anstatt auf einem Laufband trainieren. Schnell laufen, wann ich es will, und langsamer werden, wann ich es will. Entscheiden, welche Gedichte ich lesen und welche Wörter ich schreiben will. Es gibt so vieles, was ich will! Die Empfindung ist so stark, dass ich wie Wasser, wie ein Fluss des Verlangens bin, der einen See in Form eines Mädchens namens Cassia gebildet hat.
    Und am meisten will ich Ky.

    »Wir haben nicht mehr viel Zeit«, seufzt Ky.
    »Ich weiß.« Auch ich zähle die Tage. Selbst wenn

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