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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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ist genau wie beim letzten Mal, als wir uns gestritten haben und er nicht mehr mit mir reden wollte. Das ist Jahre her, und es ging darum, dass ich nicht mehr so gerne spielte wie zuvor. Xander war sauer. »Aber niemand sonst kann so spielen wie du!«, erwiderte er. Und dann, als ich mich trotz allem weigerte mitzuspielen, redete er nicht mehr mit mir. Aber ich gab nicht nach.
    Es dauerte zwei Wochen, bis wir uns wieder versöhnten, nämlich bis zu dem Tag, an dem er mich vom Sprungbrett springen sah, nachdem Großvater es mir vorgemacht hatte. Ich tauchte auf, verängstigt und begeistert zugleich, und Xander kam auf mich zugeschwommen, um mir zu gratulieren. Im Überschwang des Augenblicks war alles vergessen.
    Was hätte Großvater von dem Sprung gedacht, den ich jetzt wage? Würde er mir in diesem Fall raten, mich mit aller Macht am Rand festzuklammern? Würde er sagen, ich soll mich am Rand des Sprungbretts festhalten, bis meine Finger aufgeschürft und blutig sind? Oder würde er sagen, es sei in Ordnung, wenn ich loslasse?
    »Xander. Die Funktionäre haben ein Spiel mit mir gespielt. Am Morgen nach dem Paarungsbankett habe ich den Mikrochip ins Terminal eingelegt. Dein Bild erschien auf dem Bildschirm und verschwand wieder.« Ich schlucke. »Stattdessen wurde das Bild eines anderen eingeblendet. Das von Ky.«
    »Ky Markham?«, fragt Xander ungläubig.
    »Ja.«
    »Aber Ky ist nicht dein idealer Partner«, erwidert Xander. »Das ist unmöglich …«
    »Warum denn?«, frage ich. Weiß Xander doch etwas über Kys Status? Und wenn ja, wie hat er es erfahren?
    »Weil
ich
es bin«, sagt Xander.
    Eine ganze Weile sagen wir beide nichts. Xander wendet den Blick nicht ab, und ich kann es kaum noch ertragen. Wenn ich jetzt eine grüne Tablette im Mund hätte, würde ich sie zerbeißen und die Bitterkeit auskosten, bevor die beruhigende Wirkung einträte. Ich denke an den Tag in der Mensa zurück, als er mir versichert hat, ich könne Ky vertrauen. Xander war fest davon überzeugt. Aber er glaubte ja auch, er könne
mir
vertrauen.
    Was denkt er jetzt über uns beide?
    Xander neigt sich zu mir. Seine blauen Augen blicken in meine, seine Hand nähert sich meiner. Ich schließe die Augen, um den Schmerz in seinem Blick nicht mehr sehen zu müssen. Und um mich daran zu hindern, meine Handfläche nach oben zu drehen und meine Finger mit seinen zu verschränken, mich nach vorn zu lehnen und ihn auf den Mund zu küssen. Ich öffne die Augen und sehe Xander wieder an.
    »Ich bin auch auf dem Bildschirm erschienen, Cassia«, sagt er leise. »Aber du hast dich entschieden, ihn zu sehen.« Und dann, so schnell, wie ein Spieler bei seinem letzten Zug, dreht er sich um, zwängt sich durch die Tür und lässt mich stehen.
    Aber dich habe ich zuerst gesehen!
, möchte ich ihm nachrufen.
Und ich sehe dich immer noch!
    Einer nach dem anderen haben sich die Menschen, mit denen ich offen reden konnte, vor mir zurückgezogen. Großvater. Meine Mutter. Und jetzt Xander.
    Du bist stark genug, um ohne sie auszukommen
, hat mir Großvater über die grüne Tablette gesagt.
    Aber, Großvater, bin ich auch stark genug, um ohne dich auszukommen? Und ohne Xander?
    Die Sonne scheint auf mich, hier, wo ich stehen wollte. Keine Bäume, kein Schatten, keine Anhöhe, von der aus ich auf das hinunterblicken könnte, was ich getan habe. Und selbst wenn, könnte ich vor lauter Tränen nichts erkennen.

KAPITEL 28

    A bends zu Hause nehme ich wieder die grüne Tablette heraus. Ich weiß, dass sie mir helfen könnte; ich habe gesehen, wie sie bei Em gewirkt hat.
Sie wird mich beruhigen.
Schon das Wort
beruhigen
klingt unbeschreiblich verlockend, herrlich unkompliziert. Ein wasserglattes Wort, ein Wort, das der Angst die Schärfe nehmen, sie mit einer glatten Schutzschicht überziehen kann.
Ruhig. Gelassen.
    Ich lege die Tablette in den Behälter zurück und lasse ihn zuschnappen. Dann wende ich mich etwas anderem Grünen neben mir zu, meinem eingerahmten Stoffmuster hinter Glas. Ich umwickle meine Hand mit einer Socke und drücke fest zu. Ein leises Knacken. Ich hebe die Hand.
    Etwas zu zerbrechen ist schwieriger, als man denkt. Ich frage mich, ob die Gesellschaft dasselbe über mich denkt. Wieder drücke ich auf das Muster, diesmal noch fester.
    Es wäre leichter, wenn ich unbeobachtet wäre, wenn niemand mich hören könnte. Wenn diese Wände nicht so dünn und mein Leben nicht so transparent wären, könnte ich das Glas an die Wand werfen, mit einem Stein

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