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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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müde zum Weinen und zu erschüttert, um so zu tun, als sei alles in Ordnung.
    »Aber ich habe doch nur die Befehle befolgt«, flüstert sie. »Ich habe genau das getan, was von mir verlangt wurde.«
    »Alles wird gut«
, flüstert mein Vater meiner Mutter und mir zu. Hätte ich die rote Tablette genommen, könnte ich ihm vielleicht glauben.

    Weiter unten in der Straße parkt ein Aircar vor dem Haus der Markhams. Unsere Siedlung hat in den letzten Wochen definitiv zu viel Aufmerksamkeit seitens der Funktionäre erfahren.
    Em springt aus der Tür ihres Hauses mit dem baumlosen Garten. »Hast du’s schon gehört?«, fragt sie aufgeregt. »Die Funktionäre holen die Sachen der Markhams ab! Patrick wurde zur Zentralregierung versetzt! Was für eine Ehre. Und er kommt aus
unserer
Siedlung!« Sie runzelt die Stirn. »Wie schade, dass wir uns nicht von Ky verabschieden konnten. Ich werde ihn vermissen.«
    »Ich weiß«, antworte ich, und mir blutet das Herz. Ich halte unter meinem Sisyphus-Stein inne. Als Einzige zu wissen, was heute Morgen geschehen ist, ist eine nahezu unerträglich schwere Last.
    Nur wenige ausgewählte Funktionäre können sich erinnern, und nicht einmal sie wissen, was ich weiß. Nur zwei Leute wissen, dass ich die rote Tablette nicht genommen habe. Ich. Und meine Funktionärin.
    »Ich muss jetzt los«, sage ich zu Em und marschiere weiter in Richtung Airtrain-Haltestelle. Ich blicke mich nicht mehr zum Haus der Markhams um. Patrick und Aida sind nun auch für immer fort. Wurden sie als Aberrationen klassifiziert oder auf einen ruhigen Alterssitz fern von hier abgeschoben? Haben auch sie die rote Tablette eingenommen? Sehen sie sich gerade erstaunt an ihrem neuen Wohnort um und fragen sich, was mit ihrem zweiten Sohn geschehen ist? Ich muss versuchen, auch sie ausfindig zu machen, Ky zuliebe, aber zuerst muss ich Ky finden. Ich kann mir nur einen Ort vorstellen, an dem ich eventuell mehr darüber erfahren könnte, wo sie ihn hingebracht haben.
    Auf dem Weg zur Stadthalle halte ich den Kopf gesenkt. Es gibt zu viele Stellen, zu denen ich nicht hinsehen mag: die Sitze, auf denen Ky gesessen hat, der Boden des Airtrain-Waggons, den er betreten und auf dem er immer perfekt und leichtfüßig das Gleichgewicht bewahrt hat. Ich traue mich kaum, aus dem Fenster zu schauen, weil ich befürchte, den Berg zu sehen, auf dem Ky und ich gestern gestanden haben. Zusammen. Als der Zug hält und weitere Passagiere einsteigen, begleitet von einem frischen Luftzug, frage ich mich, ob die Stoffstreifen, die Ky und ich angebracht haben, jetzt im Wind flattern. Signalflaggen des Neuanfangs – allerdings nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten.
    Endlich höre ich, wie meine Haltestelle durchgesagt wird.
    Stadthalle.

    Mein Plan geht nicht auf. Das erkenne ich in dem Moment, als ich zum zweiten Mal in meinem Leben auf den Stufen der Stadthalle stehe. Dies ist nicht mehr der Ort mit den geöffneten Türen und den funkelnden Lichtern, der mich willkommen hieß und mir einen Blick auf meine Zukunft gewährte. Bei Tag wird das Gebäude von bewaffneten Wachtposten geschützt – ein geschäftiger, ernster Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart sicher hinter Schloss und Riegel gehütet werden. Man wird mich nicht einlassen, und selbst wenn, würde man mir die Auskunft verweigern.
    Vielleicht wüsste man hier nicht einmal, wonach ich eigentlich frage. Sogar Funktionäre tragen rote Tabletten bei sich.
    Ich drehe mich um, blicke hinüber zur anderen Straßenseite, und es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Das Herz klopft mir bis zum Hals.
Natürlich. Warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Das Museum!
    Das Museum ist ein langgestrecktes, uneinsehbares weißes Gebäude. Sogar die Fenster bestehen aus weißem Milchglas, um die Ausstellungsgegenstände vor direktem Licht zu schützen. Die Stadthalle gegenüber hat hohe, durchsichtige Fenster. Sie sieht alles. Dennoch hoffe ich, dass mir das Museum trotz seiner fest geschlossenen Lider etwas erzählen kann – eine Hoffnung, die mich zur Eile antreibt, als ich die Straße überquere, und mir Kraft verleiht, als ich die riesigen weißen Türen aufstoße.
    »Guten Tag«, sagt ein Kurator, der an einem runden weißen Tisch sitzt. »Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?«
    »Ich möchte mich nur ein wenig umsehen«, antworte ich und versuche, ganz entspannt zu wirken. »Ich habe heute ein bisschen Zeit.«
    »Und da sind Sie hierhergekommen?«, fragt der Kurator erfreut und

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