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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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abdriftet. Ich weiß nicht, was er mir sagen will. Ich blicke zur Tür und frage mich, ob ich meinen Vater oder meine Mutter holen soll.
    »Ich bin auch ein alter Heuchler«, fährt er fort, jetzt wieder mit schalkhaftem Blick. »Dir rate ich, deine eigenen Worte zu benutzen, und jetzt bitte ich dich um die einer anderen. Bitte, zeig mir deine Puderdose.«
    Überrascht reiche ich sie ihm. Er nimmt sie an, klopft damit fest auf seine Handfläche und dreht an irgendetwas. Der Boden der Puderdose öffnet sich, und ich schnappe erschrocken nach Luft, als ein Stück Papier herausfällt. Ich erkenne sofort, dass es alt ist – schwer, dick und cremeweiß, nicht glatt und reinweiß wie die Papierstreifen aus den Terminals oder den Schreibautomaten.
    Großvater faltet das Blatt Papier vorsichtig auseinander. Ich versuche, nicht zu neugierig hinzustarren, falls es ihm lieber ist, wenn ich es nicht sehe. Dennoch stelle ich auf einen Blick fest, dass auch die Schrift alt ist. Die Schriftart ist heutzutage ungebräuchlich: Die Buchstaben sind klein, schwarz und drängen sich eng aneinander.
    Seine Finger zittern. Ob es daran liegt, dass sein Ende naht, oder an dem, was er in der Hand hält, kann ich nicht sagen. Ich würde ihm gern helfen, aber ich merke, dass er das hier selbst tun möchte.
    Er braucht nicht lange, um das Blatt zu lesen, und als er fertig ist, schließt er die Augen. Auf seinem Gesicht zeichnen sich Gefühle ab, die ich nicht einordnen kann. Doch er scheint tief bewegt.
    Dann öffnet er seine hellen, wachen Augen und sieht mir ins Gesicht, während er das Blatt Papier wieder zusammenfaltet. »Cassia. Das hier ist für dich. Es ist noch wertvoller als die Puderdose.«
    »Aber es ist …« Ich halte inne, bevor ich
gefährlich
sagen kann.
    Uns bleibt keine Zeit mehr. Ich höre meine Eltern und meinen Bruder in der Diele reden.
    Großvater sieht mich mit liebevollem Blick an und hält mir das Blatt Papier hin. Eine Aufforderung, ein Angebot, ein Geschenk. Nach kurzem Zögern nehme ich es an. Ich umschließe das Papier mit der Hand, und er lässt los.
    Dann gibt er mir auch die Puderdose zurück. Das zusammengefaltete Blatt passt genau hinein. Als ich das Artefakt zuschnappen lasse, beugt sich Großvater zu mir.
    »Cassia«, flüstert er. »Ich schenke dir etwas, das du im Moment sicher noch nicht verstehst. Aber ich glaube, dass du es eines Tages verstehen wirst. Du mehr als jeder andere. Und denke daran: Es ist vollkommen in Ordnung, Fragen zu stellen.«

    Er hält lange durch. Erst eine Stunde vor dem Ende des Tages, in jener tiefblauen Nacht, sieht Großvater uns an und spricht die schönsten Worte, mit denen man ein Leben beenden kann. »Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich.«
    Auch wir sagen ihm, dass wir ihn lieben, aus tiefstem Herzen, und er lächelt. Er lehnt sich zurück in die Kissen und schließt die Augen.
    Bei ihm hat alles perfekt funktioniert. Er hat ein gutes Leben gelebt. Es endet, wie es enden sollte, genau zum richtigen
     Zeitpunkt. Ich halte seine Hand, als er stirbt.

KAPITEL 8

    » K eine von den Vorführungen ist neu«, beklagt sich unsere Freundin Sera. »Seit zwei Monaten läuft immer das Gleiche.« Wieder ist es Samstagabend, und wir führen dieselbe Unterhaltung wie in der Woche zuvor.
    »Immer noch besser als die Alternativen«, sagt Em. »Oder?« Sie sieht mich an und wartet auf meine Meinung. Ich nicke. Die Auswahl ist dieselbe wie immer: Spielcenter, Vorführung, Musik. Großvater ist erst seit knapp einer Woche tot, und ich bin ganz durcheinander. Er ist fort, und ich weiß jetzt, dass gestohlene Worte in meiner Puderdose verborgen sind. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, etwas zu wissen, was die anderen nicht wissen, und etwas zu besitzen, was ich nicht besitzen sollte.
    »Cassia ist also auch für die Vorführung«, sagt Em, die nicht lockerlässt. Sie wickelt sich eine schwarze Haarsträhne um den Finger und sieht Xander an. »Was ist mit dir?«
    Ich bin mir sicher, dass Xander wieder ins Spielcenter gehen möchte, aber ich will nicht. Unser letzter Ausflug dorthin hat unschön geendet: Ich musste mit einer Funktionärin reden und bin auf den Tablettenbehälter getreten.
    Xander weiß, was ich denke. »Es war nicht deine Schuld«, sagt er. »Du hast ihn ja nicht fallen gelassen. Außerdem hast du noch nicht mal einen Tadel bekommen.«
    »Schon. Aber trotzdem.«
    Die Musik kommt gar nicht erst in Frage. Die meisten jungen Leute sind nicht gerade wild

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