Die Auswanderinnen (German Edition)
wert. Die Mine ist gepachtet und wirft nichts Nennenswertes mehr ab. Ich habe kaum etwas gespart und meinen früheren Beruf kann ich nicht mehr ausüben. Wer nimmt schon eine Krankenschwester in meinem Alter, noch dazu eine, die seit fast dreißig Jahren nicht mehr gearbeitet hat? Ich habe keinen Partner, der mich versorgt, keine Versicherung und keine Rente. So gesehen bin ich im Gefängnis am besten aufgehoben.“ Sie lachte trocken. „Man sagt doch, drei warme Mahlzeiten und ein Bett, was will man mehr.“
„Es muss doch noch einen anderen Weg geben, Jo Ann! Du bist jetzt nur verzweifelt und deprimiert, weil Ben tot ist. In diesem Zustand solltest du keine schwerwiegende Entscheidung treffen. Wir müssen gemeinsam einen Weg finden. Isabella kommt heute Abend hierher, dann können wir darüber reden.“
„Nein!“, rief Jo Ann wütend und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Tassen klirrten. „Kommt nicht infrage. Sie darf es nicht erfahren.“
„Warum denn nicht?“ Die Frage blieb unbeantwortet zwischen ihnen im Raum stehen und beide Frauen hingen für eine Weile ihren Gedanken nach. Ja, warum denn eigentlich nicht?
Weißt du denn nicht mehr, dachte Jo Ann, wie wir reagiert haben, als Isabella am Morgen nach der Vergewaltigung aufgewacht ist? Wir wollten sie schonen! Sie schützen!
„Schluss damit!“, sagte sie energisch. „Das bringt uns keinen Schritt weiter. Mein Entschluss steht fest. Ich werde der Polizei in Sydney erklären, aus welchem Grund ich Kurt getötet habe. Dass es Notwehr gewesen ist, weil ich mich vor ihm schützen musste. Vielleicht glauben sie mir, vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.“
„Und was geschieht mit uns?“, fragte Eva.
„Isabella soll so schnell wie möglich zurück nach Deutschland fliegen, damit sie aus der Schusslinie ist.“
„Und was ist mit mir? Immerhin habe ich dir dabei geholfen, den Leichnam zu beseitigen und werde deshalb sicher wegen Beihilfe oder etwas Ähnlichem belangt werden.“ Eva hoffte noch immer, ihrer Freundin die Unsinnigkeit ihres Plans vor Augen führen zu können.
„Kein Mensch außer mir weiß, dass du mir dabei geholfen hast – und dabei bleibt es auch. Also kann dich auch keiner der Beihilfe bezichtigen. Und sollte sich Isabella daran erinnern, wird sie ebenfalls schweigen. Also, wir bleiben dabei: Ich habe dich damals lediglich gebeten, meine Angaben auf dem Revier zu bestätigen, um die Angelegenheit schnell klären zu können und du, als meine beste Freundin, hast dich dazu bereit erklärt. Eine kleine Lüge, das ist alles. Und dafür bekommst du höchstens eine Verwarnung, aber ich denke, sie werden Verständnis dafür haben, dass du mir beigestanden hast. Wir waren jung, gut befreundet, und du hattest keinerlei Verdacht, dass ich meinen eigenen Mann umgebracht haben könnte.“ Sie klatschte von dieser Version begeistert in die Hände, „Und das stimmt sogar! Du warst immer überzeugt, dass ich ihm nichts getan habe, oder etwa nicht?“
„Ich war nicht nur überzeugt, ich bin es noch immer.“
„Siehst du, darum geht es. Du musst nur bei der Wahrheit bleiben und ich werde zugeben, dass ich dich belogen habe.“
„Wir haben im Protokoll aber angegeben, dass wir zusammen gefrühstückt haben, und du ihn danach in den Busch zur Jagd gefahren hast. Das haben wir unterschrieben!“
Jo Ann winkte ab. „Ja, natürlich. Aber es hat sich eben nicht so abgespielt, wie wir erzählt haben. Kurt hat sich am Abend davor fürchterlich voll laufen lassen und daneben benommen. Er hätte am nächsten Tag überhaupt nicht auf die Jagd gehen dürfen. Ich habe dich deshalb gebeten zu behaupten, ihn am Morgen noch gesehen zu haben. Weil es mir peinlich war, dass er so betrunken gewesen ist. Fertig! Mehr gibt es nicht zu sagen.“
Eva konnte es nicht fassen, jetzt hatten sie sich doch tatsächlich auf eine Diskussion über den möglichen Tathergang eingelassen. „Aber er war doch gar nicht auf der Jagd. Kurts Überreste wurden doch in der Nähe der Mine gefunden!“
„Weil ich ihn dort getötet habe! Kurt und ich sind eben, bevor er jagen gehen wollte, noch mal zur Mine, weil wir dort Werkzeug holen oder nach dem Rechten sehen wollten. Dort gab es wieder einmal Streit. Er hat mich bedroht, wollte mich verprügeln, da hab ich ihm den Schädel eingeschlagen. Er war sofort tot, und weil ich in meiner Panik nicht mehr klar denken konnte, habe ich ihn an Ort und Stelle begraben. Am nächsten Tag habe ich dir dann erzählt,
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