Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
Vom Netzwerk:
waren ihm nie genug. Vielleicht weil man, hat man erst einmal damit begonnen, nicht mehr damit aufhören kann. Es wird nur immer schlimmer, für beide. Tatsächlich hatte ich umso weniger Mut, mich ihm zu widersetzen, je mehr er mich gedemütigt und verletzt hat.“
    Eva wollte sie nicht unterbrechen, musste Jo Ann die Frage aber stellen. „Hat er dir sehr wehgetan?“
    Jo Ann schaufelte Zucker in ihre Tasse und rührte viel zu lange um. „Nicht so sehr körperlich, als emotional. Er hat mich fast nie geschlagen oder verletzt. Aber er hat mich terrorisiert und mit meinen Ängsten gespielt. Mich gefesselt, festgehalten, ausgezogen, benutzt, Gott, er war so grausam, und er hat mich so gut gekannt. Er wusste genau, was mich am meisten schmerzt. Er war sich seiner so sicher. Aber er hat mir selten körperlich wehgetan, und es hat ja nie jemand gesehen, was er mir im Dunkeln antat. Unten, im Loch, wenn wir allein waren, da hat er sich schreckliche Spiele ausgedacht. Da musste ich seine Sklavin sein, für ihn arbeiten, ihm zur Verfügung stehen. Er musste mir gar nicht wehtun, um sich meiner sicher zu sein. Wenn ich ihm nicht gehorcht hätte, wäre er einfach nach oben geklettert, hätte die Leiter hochgezogen und ich wäre über Nacht allein in dem dunklen Schacht geblieben. Stell dir vor, die ganze Nacht, ohne Licht, im feuchten Lehm, mit den Schlangen ...“ Sie hatte aufgehört den Kaffee zu rühren, hielt einfach inne, den Löffel mitten in der Tasse. Dann, nach einer Weile, holte sie tief Luft, legte den Löffel zur Seite und fuhr fort. „Ich konnte ihm nie entkommen, er hat immer aufgepasst. Deshalb wollte er auch nach Lightning Ridge. Natürlich war er von den Opalen fasziniert, und die Idee schnell reich zu werden, war auch nach seinem Geschmack. Aber vor allem gefiel ihm der Gedanke, mich im Busch total unter seiner Kontrolle zu haben. So einfach wäre das in Sydney nie für ihn gewesen. Dort hätte ich irgendwann die Möglichkeit gefunden, mich aus dieser Abhängigkeit zu befreien und zu fliehen. Aber hier? Raus aus dem Haus, rein ins Loch und wieder zurück, Tag für Tag. Monatelang. Jahrein, jahraus. Und immer die Angst, dass seine Demütigungen eines Tages in rohe Gewalt umschlagen könnten. Ja, die Angst war allgegenwärtig. Durch sie hat er mich beherrscht. Ich wusste, dass er seine Drohungen jederzeit wahr machen konnte, und mir war vollkommen klar, dass ich dann auf grauenvolle Weise sterben würde. Glaub mir, es hat in ihm geschlummert, dieser Drang, alle und alles mit den Fäusten zu beherrschen.“
    Eva dachte an die Überfahrt nach Australien. „Er war es, der dich damals auf dem Schiff so fürchterlich zugerichtet hat, nicht wahr? Als wir dich an Deck gefunden haben und du behauptet hast, du wärest gestürzt.“
    „Ja, aber das wusste ich lange selbst nicht.“
    „Wie kannst du dann sagen, dass er dir körperlich nicht wehgetan hat, wo er dich doch so übel zugerichtet hat!“
    Jo Ann nickte. „Ich war mir lange nicht sicher, ob er es war. Nein, das stimmt nicht, ich wollte nur nicht glauben, dass er es war. Es konnte einfach nicht sein, das war nicht der Kurt, den ich geheiratet hatte, verstehst du. Aber irgendwann, lange nachdem er begonnen hatte, mich wie sein Eigentum zu behandeln, wurde mir bewusst, warum er mir das auf dem Schiff angetan hat. Es sollte mir wohl eine Warnung sein und mir zeigen, wozu er fähig ist, wenn ich mich nicht so verhalte, wie er es will. Vielleicht wollte er aber auch nur ausprobieren, wie es ist, mich zu schlagen und hat dabei festgestellt, dass es ihm keine große Befriedigung verschafft. Nein, das damals auf dem Schiff zählt nicht, und danach hat er mich nie wieder so brutal geschlagen. Er hatte andere Methoden!“
    Die Platte mit den belegten Broten stand vor ihr auf dem Tisch und erstaunlicherweise verspürte sie plötzlich Hunger. Sie nahm eine Scheibe und biss hinein. Das Brot schmeckte gut, und schweigend kaute sie weiter.
    Auch Eva, die bislang noch nichts gegessen hatte, griff nun wahllos nach einem Brot, aß es, ohne auf den Geschmack zu achten, langsam auf und schenkte ihnen dann, als sie mit dem Essen fertig waren, noch einmal Kaffee nach. „Wenn ich gewusst hätte, wie grauenhaft Kurt in Wirklichkeit war!“
    „Was wäre dann gewesen?“
    „Dann hätte ich weniger Gewissensbisse gehabt, ihn so kaltblütig verscharrt zu haben.“
    „Unsinn“, widersprach Jo Ann. „Du hattest doch überhaupt gar keine Gewissensbisse! Du warst so wütend in

Weitere Kostenlose Bücher