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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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hinwegsehen, dass sie so lange gefaulenzt hatte. Und ihre Strafe würde nicht ganz so schlimm ausfallen. Aber sie konnte Eva ja nicht einfach nach Hause schicken.
     
    Als Eva an diesem Morgen bei Jo Ann eintraf, hatte sie sich wieder etwas beruhigt. An der Situation war sowieso nichts mehr ändern. Sie konnte sich nur noch von Eva ablenken lassen, bis Kurt von der Mine zurückkam. Es gab keine Möglichkeit, um zu verhindern, was sie morgen unweigerlich durchstehen musste. Trotzdem kreisten Johannas Gedanken jedes Mal, wenn Eva schwieg, um Widerstand und Flucht, auch wenn sie wusste, dass alles Aufbegehren sinnlos war. Wenn sie mit ihren Freunden nach Sydney gegangen wäre, hätte Kurt sie von dort sofort wieder zurückgeholt. Er würde sie überall finden, die Welt war nicht groß genug, um seiner Rache zu entgehen. Da war es besser, gleich hierzubleiben und ihn so gut es ging zu besänftigen.
    Und so saßen Eva und sie einfach beisammen und tranken Tee, redeten aber nicht viel. Eva schien darauf zu warten, dass Johanna sich ihr anvertrauen würde. Gleichzeitig spürte sie aber auch, dass dies ihrer Freundin nicht möglich war, so unruhig und nervös wie sie wirkte. Mit jeder Stunde, die verging, wurde sie zittriger und Eva bereute es zutiefst, nicht mit den anderen nach Sydney zurückgefahren zu sein. Was in aller Welt hatte sie nur veranlasst, als Einzige hierzubleiben? Sie hätte so konsequent wie Isabella darauf bestehen sollen, dass die Männer sie mitnahmen. Johanna brauchte sie doch gar nicht, und was auch immer sie bedrückte, wollte sie ihr anscheinend nicht mitteilen.
    Es wurde sechs Uhr abends. Eva schlug vor, gemeinsam zum Pub zu spazieren, da Kurt ja sicher nicht vor acht Uhr nach Hause kommen würde, aber Johanna lehnte mit einer so fadenscheinigen Begründung ab, dass Eva nichts mehr zu sagen wusste. Schweigend saßen sie nebeneinander, wie auf einer Wartebank, ohne zu wissen, worauf sie warteten. Eva fühlte sich schrecklich deprimiert. Es herrschte vollkommene Stille, und ihre Stimmung war trotz des schönen Abends auf dem absoluten Nullpunkt angekommen.
    Plötzlich wehte ein Luftzug durch die offene Tür und ließ deren Blechrahmen leicht erzittern. Das Geräusch erschreckte sie beide. Feine Härchen stellten sich auf ihren Unterarmen auf, und sie hielten beide die Luft an.
    „Was war denn das?“, flüsterte Eva, da hörte sie auch schon einen Wagen um die Kurve der Straße biegen und mit quietschenden Reifen vor der Haustür halten. Staub wirbelte auf und drang durch die offenen Fenster des Wohnwagens.
    „Was ist denn los?“, fragte Eva noch einmal. Johanna war aufgeschossen, um die Tür zu öffnen, als diese auch schon von außen aufgestoßen wurde. Isabella wankte herein und sackte kraftlos in Johannas Arme. Sie war grauenvoll zugerichtet. Ihr linkes Auge war zugeschwollen, und tiefe Striemen liefen ihr vom Hals bis auf die Brust. Sie blutete. Ihr Oberkörper war so gut wie nackt, nur der rechte Träger ihres Sommerkleides hielt noch einen letzten Stofffetzen fest, der ihre Brust bedeckte, die linke Seite des Oberteils war hingegen völlig zerrissen und hing ihr bis weit über die Taille herunter. Auch ihr Rock bestand nur noch aus drei einzelnen Bahnen, die an ihrer nassen Hüfte klebten. Vorne, zwischen den Beinen, war ein dunkler feuchter Fleck zu sehen, vor den Isabella schützend ihre Hände hielt, dennoch konnte sie ihn nicht verdecken, denn er war größer als ihre Hände.
    „Isabella! Oh Gott, Isabella, was machst du hier? Wie siehst du ... um Himmels willen, was ist dir passiert? Isabella?“ Eva sah die fast ohnmächtige Gestalt in Johannas starken Armen und rannte zum Sofa, breitete rasch eine Decke aus und schüttelte ein Kissen auf. Dann half sie Johanna Isabella vorsichtig auf das Sofa zu legen. Johanna holte eine Schüssel mit warmem Wasser und ein Tuch.
    „Sie braucht sofort einen Arzt“, rief Eva aufgeregt. „Sie ist verletzt! Ich rufe einen Arzt! Wo finde ich einen? Wohin muss ich fahren?“
    Johanna gab keine Antwort, sondern begann schweigend die Wunden zu säubern und untersuchte die Tiefe der Schnitte und Kratzer. Als sie jedoch den Rock zur Seite schieben wollte, wehrte sich Isabella und krampfte ihre Finger um Johannas Hand. „Nein“, keuchte sie. „Es ist nichts. Er hat mich nicht erwischt.“
    „Du brauchst einen Arzt. Isabella, was ist denn geschehen? Bitte, sag doch was“, bettelte Eva.
    „Ich bin ihm entkommen.“ Isabellas Atem ging schwer, sie begann

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