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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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ginge und wie sie die Fahrt zu dritt überstanden hätten. Er richtete Grüße von Mira aus, die sich schreckliche Sorgen machen und sie furchtbar vermissen würde. Es waren seine eigenen Gefühle, die er Mira in den Mund legte, denn er wollte nicht, dass Jo Ann wusste, wie sehr sie ihm bereits schon jetzt fehlte und wie sehr er sich wünschte, dass sie bald wieder nach Hause kommen würde. Jo Ann bat ihn, Mira zu beruhigen. Sie fühle sich ganz gut, zumindest nicht schlecht, und sie sei nach wie vor überzeugt davon, richtig zu handeln. Er solle alle grüßen. In Ordnung, sagte er, er werde sie wieder anrufen, und legte auf.
     
    Die drei Frauen fuhren gemeinsam nach Manly. Erst an der Anlegestelle informierte Jo Ann die anderen darüber, dass sie nicht zur Parade der Freiwilligen mitkommen würde. Der Gedanke, sich in das Menschengewühl in Central zu mischen, war ihr zuwider. Stattdessen wollte sie den Tag lieber alleine und in aller Ruhe verbringen.
    „Bist du sicher?“, fragte Eva, obwohl sie Verständnis für Jo Anns Wunsch hatte. „Und was ist mit dir?“, richtete sie sich an Isabella.
    „Oh, ich komme mit! Ich möchte mir die Parade auf keinen Fall entgehen lassen. Wenn ich schon den wichtigsten Teil der Spiele verpasst habe, will ich wenigstens noch den letzten Rest der allgemeinen Begeisterung miterleben.“
    Eva gab Jo Ann den Zweitschlüssel. „Nimm ihn“, sagte sie, „falls du tagsüber unterwegs sein willst.“ Das hatte Jo Ann zwar nicht vor, denn sie wollte nur eine Weile durch Manly bummeln, das Meer betrachten, nachdenken und dann mit dem Bus nach Bilgola zurückfahren. Aber Eva war hartnäckig und bestand darauf, dass sie den Schlüssel nahm. Sie und Isabella würden erst spät am Abend mit der Fähre zurückkommen. Und so winkte Jo Ann dem ablegenden Boot noch einmal kurz zu und schlenderte dann auf der schattigen Seite der Straße in den Ort hinein. Ihr Blick streifte die Auslagen der Läden, schenkte aber keinem einzigen Artikel Beachtung. Was sollte sie schon kaufen? Warum sollte sie überhaupt etwas kaufen? Es war alles so unwichtig geworden. Sie beschleunigte ihre Schritte und beschloss, sich eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen zu gönnen, falls sie einen Platz in einem der Straßencafés am Meer ergattern konnte. Alltäglicher Luxus, den es für sie bald nicht mehr geben würde.
    Zu ihrer Überraschung waren jedoch noch viele Tische frei, anscheinend war jeder Tourist und jeder Australier, der nicht unbedingt arbeiten musste, zur Parade in die Innenstadt gefahren. Jo Ann bestellte sich ein Kännchen Kaffee, hatte aber keinen Appetit und verschob den Kuchen auf später. Unbewusst spielte sie mit dem Autoschlüssel, den sie immer noch in ihrer Hand hielt, bis er ihr aus den Händen glitt und zu Boden fiel. Sie hob ihn schnell auf und wollte ihn schon einstecken, als ihr Blick dabei auf das Christopher Medaillon in ihrer Handtasche fiel, das sie vor gerade einmal zwei Wochen auf dem Claim neben dem ihrem gefunden hatte. Gedankenverloren befestigte sie den Autoschlüssel an der rostigen Kette des Anhängers und schob ihn ins Seitenfach ihrer Tasche zurück.
    Eine Weile saß sie noch am Tisch, trank ihren Kaffee, schaute auf das Meer und versuchte sich auf das gleichmäßige Rauschen der Wellen zu konzentrieren. Aber es wollte ihr nicht gelingen. Ein Auto fuhr zu dicht an den Tischen vorbei. Eine Möwe kreischte aggressiv. Der Chef des Cafés drehte plötzlich die Musik lauter.
    Jo Ann stand auf und verließ das Café, ohne sich noch einmal umzudrehen.
     
    Eine Stunde später kam sie in Evas Haus an. Das Telefon klingelte, als sie die Tür aufsperrte, doch sie ließ es einfach weiterläuten, ging ins Gästezimmer, legte sich aufs Bett und versuchte zu schlafen. Sie hatte die Vorhänge zugezogen und döste nun im Halbdunkel vor sich hin, bis das Telefon wieder zu klingeln begann und nicht mehr aufhörte.
    Jo Ann stand schläfrig auf, ging ins Wohnzimmer und nahm schließlich doch den Hörer ab. Es war John, der anscheinend schon einige Male versucht hatte, sie zu erreichen. Er hätte einen wichtigen Grund, erklärte er mit einer gewissen Kurzatmigkeit.
    „Was ist denn los?“, fragte Jo Ann, die sofort wusste, dass er sie nicht nur angerufen hatte, weil er ihre Stimme hören wollte. Sie spürte seine Aufregung und war mit einem Schlag hellwach.
    „Hör zu, Bill war gestern Abend im Pub. Er hat sich mit Mira ein paar hinter die Binde gekippt – du kannst dir vorstellen, was das

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