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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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Fall plötzlich eine unvorhergesehene Wendung gab.
    Unerklärlicherweise hatte sie das Gespräch mit Mira und John heiter gestimmt, so als wäre eine große Last von ihr abgefallen. Weshalb fühlte sie sich jetzt auf einmal so leicht, nachdem sie sich selbst des Mordes verdächtigte und Isabella nicht mehr für die Täterin hielt? Weil sie nun wusste, dass Isabella Kurt nicht umgebracht hatte! Mehr noch, Isabella hatte genau gewusst, dass sie, Jo Ann, der wahre Täter war, und hatte sie durch ihr Schweigen geschützt. Deshalb durfte Isabellas Leben nun auch nicht dadurch zerstört werden, dass sie noch länger in dem Verdacht lebte, Kurt in Notwehr erschlagen zu haben.
    Die Erkenntnis, dass sie selbst diejenige gewesen sein musste, die Kurt getötet hatte, kam Jo Ann unendlich vertraut vor. Hatte sie denn nicht schon die ganzen Jahre über gedacht, was sich jetzt bewahrheitete: Wenn Isabella ihn nicht erschlagen hätte, hätte ich es getan. Nein, diese Schuld war ihr nicht neu, und sie konnte gut mit ihr leben.
    Jo Ann beschloss sich ein Omelett zu machen. Sie hatte plötzlich furchtbaren Hunger.

Kapitel 50
     
     
    Die Parade der Sportler und der vielen freiwilligen Helfer war ein farbenprächtiger, ausgelassener Partyzug durch ein Spalier dicht gedrängter Zuschauer, die ihren Helden für die erbrachten Leistungen lautstark Tribut zollten. Der Stolz der australischen Nation wuchs mit jedem Wagen, auf dem ein einheimischer Sportler mit seiner gewonnenen Medaille an der Menge vorüberzog. Die Freude und der Jubel waren ansteckend, und sogar Eva und Isabella wurden von der allgemeinen Euphorie gepackt, als die Mitwirkenden von den Wagen sprangen und sich unters Volk mischten, um Hände zu schütteln, Teddybären und Blumen anzunehmen und Autogramme zu geben.
    Plötzlich stieß Eva einen Freudenschrei aus. Sie hatte Steve auf einem der Paradefahrzeuge entdeckt, sprang aus der Zuschauermenge heraus, damit er sie auch sehen konnte, und schwenkte begeistert ihr australisches Fähnchen, als wäre er einer der Medaillengewinner.
    Die Menschenmengen waren inzwischen zu einer wogenden Masse geworden, die sich durch die Straßen von Central wälzte und sich, ohne bestimmtes Ziel, langsam aber beständig vorwärtsdrängte. Hinter dem letzten Paradewagen schloss sich die Zuschauermenge, wie die Wogen des Roten Meers nach dem Durchzug der Israeliten, und drängte sich durch die Prachtstraßen der Innenstadt, um das Sportereignis ausgelassen zu feiern.
    Steve war von seinem Wagen gesprungen, hatte seinen Kollegen einen Abschiedsgruß zugewunken und war mit Eva und Isabella in die Menge eingetaucht. Als das Gedränge bedenklich wurde, hakte er sie unter und zog sie in Höhe der Grosvener Street in die Verlängerung der George Street, die hinunter zu den Rocks führte.
    „Bleibt dicht bei mir“, keuchte er und puschte und zerrte die Frauen durch die fröhliche Menschenmasse. Mit vereinten Kräften steuerten sie das Waterfront an und ergatterten einen der letzten Tische, von dem aus sie die Brücke und das gegenüberliegende Opernhaus sehen konnten.
    „Uff!“, rief Isabella voller Erleichterung aus, als sie endlich saßen. „Meine Füße brennen, mein Kopf dröhnt, und mein ganzer Körper ist mit Adrenalin vollgepumpt. Ich bekomme Panikattacken bei solchen Menschenaufläufen. Das könnt ihr nicht mit mir machen!“
    „Ich hatte keine Ahnung, dass es so extrem werden könnte“, verteidigte sich Eva.
    „War ja kein Vorwurf“, beschwichtigte Isabella. Dass Eva auch immer gleich so empfindlich sein musste!
    Sie bestellten vorerst nur Wasser und Wein, beschlossen aber den Tisch zu verteidigen, bis es Zeit zum Abendessen war. Steve bat sie, währenddessen zu erzählen, was sich auf ihrer Reise ereignet hatte.
    Eva holte weit aus, um Steve möglichst umfassend ins Bild zu setzen, während Isabella ihre Erläuterungen mit ein paar kleineren Ergänzungen abrundete. Steve hörte schweigend zu und unterbrach sie nur, um ihnen gezielt Fragen zu stellen, bis Eva schließlich zum schwierigsten Teil ihrer Erzählung kam, dem Teil, in dem sie Steve gegenüber zugeben musste, dass sie die Tat eher der vor ihr sitzenden Isabella als der abwesenden Johanna zutraute. Sie wand sich, suchte nach passenden Worten und schwächte so lange ab, bis es Isabella zu bunt wurde.
    „Sag einfach was du denkst!“, mahnte sie. „Es stört mich nicht, dass du glaubst, ich hätte es getan. Ich zweifle mittlerweile doch selbst an meiner bisherigen Version

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