Die Auswanderinnen (German Edition)
seine Kleidung blutig?“, fragte sie scharf.
„Meine Güte, wieso blutig? Er war schmutzig, klar, von oben bis unten. Voller Dreck. Er ist schließlich im Schacht gewesen, wahrscheinlich auf allen vieren in das Loch gekrochen, in dem der Opal versteckt war. Ich habe nicht so genau darauf geachtet, wie er ausgesehen hat. Wir sind losgerast, als wäre der Teufel hinter uns her. Dieter hat immerzu gebrüllt, ich solle schneller fahren. Als wir dann schon ein gutes Stück Weg hinter uns hatten, wollte er, dass ich anhalte. Er hatte einen kleinen See entdeckt und sich dort gewaschen und umgezogen.“
„Hat er erzählt, was geschehen war?“
„Ja, er hat gesagt, er hätte Kurt mit Isabella ertappt und die beiden seien auf und davon. Da habe er die Gunst der Stunde genutzt und sich den Opal geschnappt. Mit einer Scheißangst im Nacken, dass Kurt jede Sekunde wieder zurückkommen könnte. Was ich gut nachvollziehen konnte, die Angst meine ich. Aber es ist ja noch mal alles gut gegangen.“
„Und das hast du ihm geglaubt?“ Jo Ann suchte verzweifelt nach weiteren Informationen.
„Warum denn nicht?“
„Weil Kurt tot ist! Weil er umgebracht wurde!“
Uwe runzelte die Stirn. „Wieso umgebracht? Er ist doch auf der Jagd verunglückt. Umgebracht? Was redest du da?“
„Wenn ich das so genau wüsste“, stöhnte Jo Ann.
Da sagte Isabella: „Aber ich weiß es!“ Sie saß da wie eine Statue, mit völlig ausdruckslosem Gesicht, bewegungslos, den Blick ins Nichts gerichtet. Sie war fast nicht wiederzuerkennen. „Ich weiß es wieder! Dieter rief nach unten und Kurt hielt mir den Mund zu. Schlug mich, sodass ich kurz das Bewusstsein verloren haben muss.“ Isabella befand sich wieder in der Vergangenheit: „Dieter und Kurt streiten. Es geht um den Opal. Kurt ist noch immer in der Stimmung zu quälen und zu demütigen. Er verhöhnt Dieter, nennt ihn einen Schlappschwanz. Schau nur, sagt er, was ich da liegen habe. Deine eigene Frau kommt zu mir in die Mine, will von mir gevögelt werden. Hat mich regelrecht angefleht. Dieter sieht mich und erschrickt. Ich schreie, hilf mir, um Gottes willen, glaub ihm nichts, hilf mir. Hör dir das Miststück an, sagt Kurt, wie scheinheilig sie tut. Dabei will sie es so, mit Ketten und Schlägen, weil du es ihr nicht richtig besorgst, du Memme, du Schwächling. Aber Dieter hilft mir nicht. Vielleicht, weil er Kurt nicht verärgern will. Kurt ist so viel stärker. Dieter tut nichts, schwankt noch, weiß nicht, wem er glauben soll. Kurt spuckt auf mich, sagt, er weiß sehr gut, dass ich es mit allen treibe. Mit meinem Boss, das hätte ich ihm erzählt, damit hätte ich ihm gegenüber geprahlt. Und jetzt glaubt Dieter ihm, glaubt, dass die Geschichte mit Hal wahr ist. Hat es schon lange vermutet und weiß nun, dass es stimmt. Also glaubt er Kurt alles – und mir gar nichts mehr! Mein Gott, er glaubt ihm, geht mit ihm nach hinten, tiefer in den Schacht hinein. Kurt sagt, ich zeig es dir, das Prachtstück, kannst es noch einmal bewundern. Es gehört aber ganz alleine mir, so wie mir deine Frau gehört! Ich verstehe nicht, warum Dieter mitgeht. Das ist meine Chance, und diesmal vergeude ich sie nicht. Der Schlüssel zur Kette – Kurt hat ihn hinter mich an die Wand geworfen. Ich suche. Meine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt, ich sehe den Schlüssel im Schein der Grubenlampe aufblitzen. Da liegt ein Stock neben mir. Mit dem Stock angle ich nach dem Schlüssel. Welch ein Glück, ich erwische ihn sofort. Endlich ein bisschen Glück. Aufschließen, raus hier, nur raus, ganz schnell weg. Kurt kommt zurück. Er muss das Rasseln der Kette gehört haben, ich hätte leiser sein sollen. Auf der Leiter höre ich ihn, aber ich bin fast oben, während er noch ganz unten ist. Die Leiter schwankt immer stärker. Er ist schwer. Muss sich den Schacht hochplagen, ich bin schon oben! Hab den Hammer in der Hand, weiß gar nicht, wo ich den gefunden habe. Er kommt mir hinterher. Seine Hände greifen über die Kante des Einstieglochs. Ich schlage auf ihn ein, auf seine Hände, seine Finger ...“
Jo Ann nickte stumm. Das war es, ab hier hatte sie ihnen die Szene auch schon geschildert, als sie in atemloser Panik zum Haus gekommen war. Weiter. Weiter.
„Es ist weich. Sein Fleisch ist weich und reißt. Ich sehe wie das Blut aufspritzt, aber er hält sich immer noch an der Leiter fest. Er brüllt, ich schreie. Weiß nicht mehr was. Schlag noch einmal drauf. Endlich! Er lässt los, seine Arme
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