Die Auswanderinnen (German Edition)
deshalb gekommen.“
„Ich habe Eintrittskarten für uns für das Hauptstadion in Homebush für fast jeden Tag!“ Sie hatte Eva geschrieben, dass sie im Zuge ihrer Reisevorbereitungen gleich Karten für sämtliche Wettbewerbe vorreserviert hatte, und hatte Eva eingeladen, sie zu begleiten. „Morgen wird als Erstes ein vernünftiges Auto gemietet, und dann können wir damit unterwegs sein.“
Eva protestierte. „Unsinn! Wir fahren mit unserem Wagen! Schließlich hast du die teuren Karten besorgt.“ Dann fügte sie noch spaßeshalber hinzu: „Und außerdem, was hast du gegen dieses Auto?“
Isabella verzog das Gesicht. „Ich hasse konservative Familienkutschen! Ich bin lieber mit einem rassigen Flitzer unterwegs.“
Steve sagte nichts dazu, er sah geradeaus und konzentrierte sich auf den Verkehr, so als hätte er wegen des Fahrlärms Isabellas verletzende Bemerkung gar nicht gehört. Eva hoffte jedenfalls, dass es so war, konnte sich jedoch nicht beherrschen, steckte ihren Kopf noch weiter zwischen den Lehnen nach vorne und fragte deutlich leiser: „Gefällt dir etwa unser Auto nicht?“
„Sei mir nicht böse“, meinte Isabella, ohne die Stimme zu senken. „Es ist mein erster Urlaub seit ewigen Zeiten, und ich will ihn voll auskosten. Dazu gehört nun mal der richtige fahrbare Untersatz. Außerdem wird Steve euren Wagen doch sicherlich tagsüber benötigen. Ich nehme nicht an, dass ihr zwei Autos zur Verfügung habt.“
Eva wollte gerade erklären, dass Steve den Wagen nicht brauchen würde, weil er den Bus nehmen würde, aber da fiel ihr Steve ins Wort und fragte Isabella, welche Sportarten sie denn besonders interessierten. Danach sprachen sie eine Weile übers Wetter.
„Meine Güte“, Isabella bemerkte erst jetzt den Nieselregen, der einmal mehr mit der Dunkelheit gekommen war, „das sieht ja gar nicht gut aus für die Eröffnungsfeier.“
„Kann nur besser werden“, meinte Steve.
„Mir soll es recht sein, denn wir werden sie sowieso am Fernseher mitverfolgen müssen. Für diesen Abend noch Karten zu bekommen war wirklich völlig unmöglich.“
Eine halbe Stunde später kamen sie in Bilgola an. Isabella besichtigte das Haus und beglückwünschte sie zu ihrem Fund. Nach einer heißen Dusche setzte sie sich in einem kuscheligen Jogginganzug, der bequem und teuer aussah, zu ihren Gastgebern vor den Kamin. Sie tranken französischen Champagner, den Isabella mitgebracht hatte, redeten bis Mitternacht und gingen schließlich zu Bett. Alle drei waren mit dem Verlauf des ersten Abends ganz zufrieden, nur Eva wunderte sich beim Einschlafen kurz darüber, warum Isabella nicht nach Johanna gefragt hatte. Doch andererseits war sie auch ganz froh darüber.
Am folgenden Morgen erinnerte sich Eva flüchtig an den Traum, den sie nachts gehabt hatte und in dem Isabella vorgekommen war, die aber wie Johanna ausgesehen hatte und darauf bestanden hatte, sich Bella zu nennen. Sie hatte in einem Leiterwagen gesessen, der von einem Nilpferd gezogen wurde und hatte aus Leibeskräften Befehle gebrüllt, die Eva jedoch beim besten Willen nicht hatte verstehen können.
Erschreckt stellte sie fest, dass es bereits acht Uhr war, setzte sich rasch auf und trank den Kaffee, den Steve ihr bereits ans Bett gebracht hatte.
„Es macht dir doch nichts aus, wenn ich das Frühstück sausen lasse?“, fragte er, als er frisch geduscht zurück ins Schlafzimmer kam. „Wir haben beide um eine halbe Stunde verschlafen und ich muss jetzt gleich weg. Du willst bestimmt gemütlich mit Isabella frühstücken, wenn sie aufwacht.“
„Kein Problem.“
Sie wusste, Steve würde sich in der Kantine verköstigen. Seit Inbetriebnahme der Anlage hatte er schon öfter im olympischen Dorf gearbeitet, meist nur für ein paar Stunden, aber ab heute, dem Tag der Eröffnung, würde er von zehn Uhr morgens bis Mitternacht Dienst haben und wenn nötig auch dort übernachten.
„Was hast du denn für heute geplant?“, fragte er. Sein Haar war bereits trocken. Er schüttete After Shave in seine linke Handinnenfläche, verteilte es kurz in beide Hände und klopfte die Flüssigkeit auf seine Wangen.
„Ich warte erst mal, bis sie aufwacht. Ich finde, wir sollten heute noch nichts Anstrengendes unternehmen. Vielleicht einen Spaziergang am Meer. Und am Abend sitzen wir natürlich vor dem Fernseher. Schade, dass wir die Eröffnungsfeier nicht zu dritt ansehen können.“ Eva gähnte, streckte und dehnte ihre Beine unter der Bettdecke und
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