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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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Kissen retour. „Ich würde mich wegen dir auch nicht in Schale werfen.“
    „Hast du doch noch nie.“
    „Was soll das nun wieder heißen?“
    „Ich sage nur Schlabber-Look, heute Morgen!“
    Also hatte sie Isabellas kritischen Blick richtig gedeutet. Sie alberten noch eine Weile herum, dann begann die Übertragung der Eröffnungsfeier im Fernsehen und sie wurden von der Begeisterung im Stadion, die Millionen von Zuschauern gleichzeitig erfasste, mitgerissen. Wie durch ein Wunder war es trocken geblieben. Es war der erste Abend seit Wochen, der nicht verregnet war, und die gefürchteten Winde, die das Feuerwerk am Ende der Feierlichkeiten hätten gefährden können, waren zu einem lauen Lüftchen verkommen. Es war noch etwas zu frisch für die Jahreszeit, aber darüber beschwerte sich niemand. Der Wettergott war heute Australier, er war auf ihrer Seite, und würde es auch hoffentlich während der ganzen Spiele bleiben.
    An diesem Abend saßen sie noch lange nach Ende des Fernsehprogramms zusammen und unterhielten sich über ihre unterschiedlichen Lebenserfahrungen und ihre Pläne für die Zukunft. Aus einem unerfindlichen Grund vermieden es beide Frauen, über die Vergangenheit zu sprechen. Solange sie sich in der Gegenwart aufhielten und jeden Gedanken an ihre gemeinsamen Erlebnisse verdrängten, fühlten sie sich einigermaßen sicher.

Kapitel 8
     
     
    Queen Frederika, auf hoher See, 1972
     
    Die sechs verbrachten fast ihre ganze Zeit zusammen, denn an Bord gab es praktisch nichts für sie zu tun. Dreimal täglich saßen sie am gleichen Tisch, nahmen die simplen, aber üppigen Mahlzeiten ein und lernten sich immer besser kennen. Das Wetter wurde milder und sonniger, je südlicher sie kamen. Nachdem sie die kanarischen Inseln passiert hatten, fuhren sie an der Küste Afrikas entlang, die sie bisweilen sogar am Horizont erkennen konnten. Es war ein Segen für alle, dass sie sich nun den ganzen Tag an Deck aufhalten konnten, denn die Nächte in den kleinen, unzureichend gelüfteten Kabinen waren dadurch besser zu ertragen. Die frische Meeresluft tat ihnen gut und machte sie müde. Die Männer spielten den ganzen Tag lang Karten oder dachten sich immer neue Möglichkeiten aus, wo sie es mit ihren Frauen treiben konnten. Das war jedoch bei Weitem nicht so einfach, wie ihnen der Matrose am Tag ihrer Abfahrt angedeutet hatte. Zwar gab es etliche Gemeinschaftsräume, aber die waren praktisch ununterbrochen von Familien besetzt, die sie unmöglich mit dem Argument verscheuchen konnten, dass zwei Liebende in Not waren. Außerdem wollte keiner so recht eine solche „Bumsorgie“ organisieren, wie Kurt es schamlos betitelte. Andere mögliche Örtlichkeiten konnte man jedoch nur extrem selten nutzen, weil es einfach zu viele Kinder an Bord gab. Wegen der aufgezwungenen Enthaltsamkeit stieg der allgemeine Frustpegel kontinuierlich an. Die Frauen konnten die sexlose Zeit allem Anschein nach besser verkraften als die Männer. Sie saßen stundenlang an Deck beisammen und plauderten über belanglose Themen. Der Stoff schien ihnen nie auszugehen, selbst nachts nicht, wenn sie sich die Zeit mit weiteren endlosen Gesprächen über Gott und die Welt vertrieben. Johanna gestand sich insgeheim ein, dass die Gesellschaft ihrer Bettnachbarinnen, entgegen ihrer anfänglichen Befürchtung, die ganze Reise erst erträglich machte. Eva war stets unterhaltsam, sie wusste in kürzester Zeit über alles und jeden Bescheid und plauderte alles aus. Isabella hingegen war ruhiger und gab ihre Kommentare spärlicher ab als Eva, aber dafür waren sie so wohlüberlegt und mit vielen interessanten Informationen gespickt. Sie selbst, fand Johanna, war die Langweiligste von ihnen, weder war sie so klug wie Isabella noch so umtriebig wie Eva.
    Alles wäre perfekt gewesen, wenn sie nicht gespürt hätte, dass Kurt immer nervöser wurde. Wenn die anderen nicht in Hörweite waren, beschwerte er sich bei ihr über das sexlose Dasein. Sie versuchte ihn dann jedes Mal zu beschwichtigen, aber ihre Worte machte ihn nur noch aggressiver, und er warf ihr vor, gefühllos und frigide zu sein. Er klang, als sei es ihre Schuld, dass sie in getrennten Kabinen schlafen mussten, und Johanna hatte fast ein schlechtes Gewissen, weil sie die vergnüglichen Nächte mit den Frauen so sehr genoss. Manchmal zog Kurt sie zur Seite, drängte sie in eine der vielen, nur halb verborgenen Winkel und Ecken an Bord, die feucht vom Seewasser und nur wenig geschützt vor den

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