Die Auswanderinnen (German Edition)
wackelte mit den Zehen. Wenn es nach ihr ginge, würde man nie vor neun Uhr morgens aufstehen müssen.
„Pass schön auf, vielleicht siehst du mich“, neckte Steve sie.
Sie war sofort hellhörig. „Glaubst du wirklich? Du musst winken! Sonst sehe ich dich nicht.“
Er lachte. „Es werden über hunderttausend Zuschauer im Stadion sein, deine Chancen stehen also ziemlich schlecht.“ Er beugte sich über sie und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „War Isabella eigentlich schon immer so?“
„Wie meinst du das?“, wollte Eva wissen, ahnte aber bereits, was er damit meinte.
„Na ja, sagen wir mal, so anspruchsvoll?“
„Du meinst wegen des teuren Champagners?“ Sie wollte Isabellas spitzen Kommentar über das Auto von sich aus nicht zur Sprache bringen.
„Nein! Ich habe nichts gegen teuren Champagner. Vor allem nicht, wenn er ein Gastgeschenk ist. Ich meine nur ...“ Steve suchte nach dem richtigen Ausdruck, „... ich weiß nicht, sie scheint ziemlich verwöhnt zu sein und erwartet, dass alles so läuft wie sie es will, oder sie ist einfach nur ... ach, was soll’s, es ist nicht wichtig.“ Er zog sein Hemd an und schlüpfte in eine Leinenhose. „Hast du meinen braunen Gürtel gesehen?“
Eva war froh über die Ablenkung. Sie suchte den Gürtel für ihn, während er sich anzog, küsste ihn zum Abschied, und dann war er auch schon weg.
Kapitel 7
Isabella kam gegen zehn Uhr perfekt gestylt aus dem Gästezimmer. Sie sah aus, als wolle sie ins Büro gehen, mit ihrer langen schimmernden Perlenkette und ihrer teuer aussehenden Bluse. Ihre Haare waren frisch gewaschen, und dezent aufgetragenes Make-up verdeckte die winzigen Spuren der Müdigkeit, die am Vorabend noch sichtbar gewesen waren.
Eva war dagegen zu müde und zu bequem gewesen, um sich zu duschen oder anzuziehen, nachdem Steve sich verabschiedet hatte. Sie hatte frischen Kaffee gemacht und saß noch immer in dem alten Morgenmantel, den Steve zuvor angehabt hatte, am Küchentisch, inzwischen bei der dritten Tasse Kaffee und tief in Gedanken versunken.
„Woran denkst du?“, fragte Isabella sie und gab ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.
„Ach, an nichts Bestimmtes“, wich Eva aus, die gerade überlegt hatte, ob sie Johanna noch einmal anrufen sollte, und warum diese noch immer nichts von sich hatte hören lassen. Anscheinend wollte sie wirklich niemanden sehen, weder Isabella noch sie selbst. „Ich habe einfach so an früher gedacht, an uns drei Frauen, als wir alle noch hier in Sydney gewohnt haben. Und wie wir uns kennen gelernt haben – wie naiv und begeisterungsfähig wir damals auf dem Schiff doch gewesen sind.“
„So ist die Jugend immer“, meinte Isabella und goss sich eine Tasse Kaffee ein. „Wie hieß es gleich wieder?“
„Was?“
„Das Schiff.“
„ Queen Frederika .“
„Stimmt. Dein Gedächtnis ist besser als meines.“ Isabella wechselte das Thema. „Was wollen wir nun anstellen?“
„Erst mal frühstücken. Du musst doch furchtbaren Hunger haben.“
Isabella schüttelte den Kopf, und ihre frisch geföhnten Haare wehten von einer Seite zur anderen. Sie hat immer noch so verdammt schönes Haar, dachte Eva.
„Nein, überhaupt nicht. Ich frühstücke normalerweise nie. Sollen wir bummeln gehen? Ich würde gerne nach Manly fahren. Wir können dort am Meer sitzen und zu Mittag essen.“
Eva beschloss, ihren knurrenden Magen zu vergessen. Es würde ihr überhaupt nicht schaden, das Frühstück ebenfalls einmal auszulassen. Seit Jahren plante sie eine Diät, aber mit jeder Schlankheitskur, die sie beginnen wollte, schien sie noch ein paar Pfund zuzulegen. Als wäre alleine der Gedanke, abzunehmen, eine Zumutung für ihren Stoffwechsel.
„Das ist eine gute Idee“, willigte sie ein. „Du wirst erstaunt sein, wie sehr sich Manly verändert hat. Die Hauptstraße ist jetzt eine richtig schicke Einkaufszone mit witzigen Läden. Wo das Meer beginnt, haben sie Promenaden angelegt, mit wirklich schönen Restaurants. Wie in Europa. Du wirst dich wundern.“ Stolz schwang in ihrer Stimme.
Manly hatte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Lieblingsziel der Touristen entwickelt. Die seltene Lage, auf einer Landzunge, zwischen einer riesigen Bucht und dem offenen Meer, ermöglichte es, in wenigen Minuten von Strand zu Strand zu laufen. Dennoch waren die einander gegenüberliegenden Ufer völlig unterschiedlich. Am Nordostufer von Manly lagen die besten Restaurants, denn sie
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