Die Auswanderinnen (German Edition)
ihrer jeweiligen Sprache erzählten. Die Männer trafen sich währenddessen am See, ebenfalls in nach Nationalitäten aufgeteilten Gruppen, wo sie, genau wie ihre Frauen, dafür aber ohne jedes schlechte Gewissen, übereinander klatschten und herzogen.
Die Nachmittage dehnten sich endlos. Einige versuchten eine Art von Lagersport zu organisieren. Da es keine Sportgeräte gab, versuchten sie Wettbewerbe im Laufen, Schwimmen oder sogar Sackhüpfen zu veranstalten. Doch irgendwie verpuffte der Enthusiasmus der Beteiligten schon bevor der erste Startpfiff fiel. Das sinnlose Warten auf das, was auf sie zukommen würde, saugte alle Energie aus ihnen heraus und allgemeine Lethargie verbreitete sich.
Uwe und Kurt verstanden sich täglich besser. Sie waren beide gelernte Handwerker, zwei kräftige Männer, die von sich und ihren Fähigkeiten absolut überzeugt waren. Uwe war gelernter Schreiner, ein Beruf, der bei den Australiern so gefragt und gesucht war, dass ein Einwanderer mit dieser Ausbildung nicht einmal Sprachkenntnisse vorweisen musste. Auch Kurt machte sich über dieses Manko wenig Gedanken. Sie würden schon bald einen der staatlich angebotenen Sprachkurse besuchen, und außerdem, als Handwerker konnte man sich immer irgendwie verständlich machen.
Dieter hatte hingegen nicht viel mit den beiden gemein. Er war kein Handwerker, sondern Fotograf. Ein ziemlich alberner Beruf für einen Mann, fand Kurt, und wunderte sich, warum die Australier Dieter die Einwanderung überhaupt genehmigt hatten. Dieters Finger waren schmal und feingliedrig, mit solchen Händen würde er nie richtig zupacken können. Dieter war ihnen nicht ebenbürtig, dachten Kurt und Uwe selbstgefällig, und fühlten sich gut, weil sie ihn trotzdem so großzügig gewähren ließen. Sie schenkten ihm eigentlich nur Beachtung, weil er meist recht vergnügt, schlagfertig und kurzweilig war. Es wäre ihnen nie in den Sinn gekommen, dass sich Dieter schlichtweg aus dem gleichen Grund, nämlich um etwas Abwechslung in sein gegenwärtiges langweiliges Lagerdasein zu bringen, mit ihnen abgab.
Zwischen den Frauen war dagegen eine wirkliche Freundschaft entstanden, zu der sie sich jedoch nicht offen bekannten, sondern die sie eher mit der Freundschaft ihrer Männer begründeten. Dabei lag der Ursprung ihrer weitaus engeren Beziehung in den zwangsläufig gemeinsam verbrachten Nächten an Bord, in denen sie sich weitaus mehr anvertraut hatten, als es ihrem sonstigen Naturell entsprach. Eva zum Beispiel hätte unter normalen Bedingungen nie so viel Zeit mit Johanna verbracht. Ihr war die Krankenschwester eigentlich zu brav und viel zu distanziert. Aber nun war sie jedes Mal insgeheim froh, wenn sie bemerkte, mit welcher Unterwürfigkeit Johanna ihren Mann umsorgte, konnte sie dadurch doch ihre eigene Abhängigkeit von Uwe besser vor sich selbst rechtfertigen. Das ungeschriebene Gesetz der männlichen Vorherrschaft ließ Eva, genauso wie Johanna, mitten im Gespräch aufspringen, wenn ihre Männer etwas von ihnen verlangten, und sie wussten, dass die andere dafür Verständnis hatte.
Nicht so Isabella, deren Gesicht sofort einen sarkastischen Ausdruck annahm, wenn Eva oder Johanna aufhorchten und einem Befehl ihrer Männer Folge leisteten. Bei Isabella glaubte Eva immer so etwas wie schweigende Verachtung wahrzunehmen, obwohl Isabella ebenfalls aufstand und zu Dieter ging, wenn er etwas von ihr wollte! Aber zumindest ließ sie sich mehr als einmal rufen, erhob sich dann betont langsam und schnitt Grimassen hinter seinem Rücken oder schimpfte leise über ihn. Damit wollte sie den beiden anderen Frauen anscheinend ihre Unabhängigkeit demonstrieren. Aber Johanna meinte einmal, dass es nicht auf das ankäme, was man sagte, sondern nur auf das, was man täte, und deshalb sei Isabella auch nicht besser als sie.
Es war am Tag vor ihrer Abreise aus dem Bonegila Camp, genau drei Monate nach ihrer Hochzeit, als Johanna endlich erkannte, wie sehr sie sich in Kurt getäuscht hatte.
Die Campleitung hatte ihnen nach dem Frühstück mitgeteilt, dass es für diejenigen, die sich für Sydney angemeldet hatten, am folgenden Tag endlich weitergehen würde. Der Bus würde um sieben Uhr morgens bereitstehen, sie selbst sollten ab sechs Uhr reisefertig sein und ihre Koffer an der Sammelstelle deponiert haben.
Es waren erstaunlich wenige Einwanderer, die sich in der größten Stadt Australiens niederlassen wollten, von den Deutschen waren es jedoch alle. Die meisten anderen
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