Die Auswanderinnen (German Edition)
nah vor ihr, beugte sich ihr entgegen, um den Größenunterschied zwischen ihnen zu verringern, und streckte ihr die geschlossene Faust hin. „Weißt du, was ich da habe?“
Sie verneinte.
„Ein kleines braunes Tier! Nur ein paar Zentimeter lang. Mit dünnen Beinen und langen Fühlern. Es ist eine Kakerlake, ein Cockroach. Eine einfache Küchenschabe. Ein Nutztier!“
Johanna wollte sich das Tier nicht ansehen. Sie hatte schon so viele Kakerlaken verscheucht, seit sie hier angekommen waren. Es waren eklige Dinger, die mit zäher Unerschrockenheit ihr Terrain behaupteten. Man musste sie nachdrücklich verjagen, sie waren nicht wie Mäuse, die schon bei der ersten Bewegung davonhuschten. Kakerlaken verharrten oft sekundenlang auf ein und derselben Stelle, wenn sie angegriffen wurden, und starrten bösartig zurück, als würden sie einen lieber attackieren als ihr Heil in der Flucht suchen.
„Ich will es nicht sehen“, flüsterte sie und trat einen Schritt zurück.
Er folgte ihr, ließ keinen Raum zwischen ihr und der Bettkante. „Du wirst es nicht ansehen müssen. Sobald ich die Hand öffne, saust es davon“, erklärte er. „Mach den Mund auf.“
Sie schüttelte den Kopf und presste gleichzeitig die Hand auf ihren Mund. Das konnte er nicht verlangen!
„Na los, mach schon! Kakerlaken sind für viele Menschen eine Delikatesse. Man kann sie problemlos essen und sie schmecken angeblich richtig lecker. Außerdem sind sie nahrhaft und in diesem Land leben manche von dem ,Krabbelzeug‘, wie du es nennst. Wenn du auch hier leben willst, musst du die Sitten des Landes anerkennen.“ Er packte sie mit seiner freien Hand am Handgelenk und bog es nach unten. „Los, mach den Mund auf!“
Johanna wollte protestieren, wollte richtig stellen, dass die Australier mit Sicherheit keine Kakerlaken aßen, vielleicht die Ureinwohner, aber bestimmt nicht die Weißen, die Zugewanderten, doch sie war wie versteinert. Sie hatte nicht die Kraft, um sich gegen ihn zu behaupten und öffnete willenlos ihren Mund. Nur ein wenig, als wollte sie ihn bitten, es nicht zu tun. Aber da hatte er schon seine Hand über ihre Lippen gestülpt, und sie wurde so sehr von Grauen erfasst, dass sie nicht einmal mehr schreien konnte. Ihr Mund ging unter seinem harten Griff noch weiter auf, und als sie das Tier an ihrer Zungenspitze spürte, schlug sie entsetzt die Zähne zusammen. Der Panzer des Tieres knirschte, und sie wusste nicht mehr was sie tun sollte. Den Mund schließen, um es auszusperren, oder ihn öffnen, um nicht draufzubeißen. Kurts Hand, diese riesige Pranke, lag über ihrem Gesicht, verschloss ihren Mund und drückte auf ihre Nase, sodass sie keine Luft mehr bekam und zu ersticken glaubte. Sie fiel rückwärts aufs Bett, und Kurt ließ sich mit ihr fallen. Sein Gewicht hielt sie gefangen und seine Hand erstickte sie fast.
„Iss es!“, keuchte er. „Schluck es, oder kau es! Würg es runter, vorher lass ich dich nicht los.“
Sie würgte tatsächlich. Mit geschlossenen Augen versuchte sie krampfhaft das Tier hinunterzuschlucken, doch es war unmöglich. Kaum setzte der Schluckreflex ein, wurde er von einem anderen Reflex abgelöst, der das Hinunterschlucken verhinderte. Gleichzeitig gierte sie nach Luft.
In Wirklichkeit konnte die ganze Prozedur nicht allzu lange gedauert haben, sonst wäre sie sicher erstickt. Johanna kam der grässliche Würge- und Schluckkampf endlos vor. Erst als die tot gequetschte Kakerlake endgültig in ihrem Magen gelandet war, nahm Kurt die Hand von ihrem Mund. Johanna bäumte sich auf, rutschte seitlich unter ihm hervor und spie, verzweifelt nach Atem ringend, den Kakerlakenbrei wieder aus. Sie sah noch wie die eklige, braune Masse den Koffer bespritzte, dann fiel sie kraftlos rückwärts auf die Matratze. Schon warf sich Kurt wieder auf sie. Seine Hand tastete nach ihrem Jeansknopf und nun begann auch er schwer zu atmen.
Johanna blieb einfach still liegen. Obgleich sie wieder Sauerstoff in den Lungen hatte, schien sie sich in einem schwerelosen Zustand zu befinden, der jedes Denken oder Fühlen unmöglich machte. Sie war zu erschöpft, um sich bewegen zu können und wollte nie wieder aufstehen. Dafür bewegte sich Kurt umso heftiger, vermied dabei aber jeden Kontakt mit ihrem säuerlich riechenden Mund, indem er ihren Kopf einfach zur Seite drehte und mit einem Teil des Bettlakens abdeckte. Als er endlich fertig war, erhob er sich wortlos, zog den Reißverschluss seiner Jeans hoch, hob die Bierdosen
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