Die Auswanderinnen (German Edition)
hat immer Schuld! Das hast du doch auch geglaubt, als ich dich über Dieters Entscheidung informiert habe, gib es ruhig zu, ich habe es genau gespürt. Das hat mir ziemlich wehgetan.“
Eva fühlte sich noch nachträglich wegen ihrer ungerechten Reaktion schuldig. Wie gedankenlos sie gewesen war. Sie suchte nach einer Erklärung: „Wir Frauen waren alle pseudo-feministisch, damals. Ich habe Uwe bis zur Peinlichkeit vergöttert, und Johanna hat sich mit keinem Mucks gegen Kurts Machogehabe gewehrt. Wir haben immer so getan, als wären wir aufgeschlossene, moderne Frauen, dabei waren wir so abhängig von unseren Männern.“
Isabella zog ihre Füße unter der Bettdecke hervor und setzte sich auf den Bettrand. Es war Zeit aufzustehen. „Allerdings. Wir haben uns eingebildet, mutige Auswanderinnen zu sein, dabei haben wir es nur gewagt Deutschland zu verlassen, weil wir unsere ,besseren Hälften‘ dabeihatten. Und wir waren überzeugt davon, dass wir es ohne sie nicht schaffen würden. Wie dumm wir doch waren!“
„Bist du deshalb nach München zurückgegangen? Weil du dich nicht getraut hast, alleine in Australien zu bleiben?“
Isabella stand auf. „Du stellst vielleicht Fragen! Das hatte mit fehlendem Mut nichts zu tun. Das war eine einfache Rechenaufgabe. Mir war klar, dass ich in Sydney nie auf einen grünen Zweig kommen würde. Sei mal ehrlich, als Frau hatte man es doch schwer in diesem Land. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, aber sie war hoffnungslos unterbezahlt.“
„Trotzdem“, beharrte Eva, „das musst du mir erklären. Dein Job war gut, deutlich besser honoriert als meiner. Du warst ehrgeizig und hättest dich schon noch weiter nach oben arbeiten können. Warum hast du alles, wofür du zuvor so hart gearbeitet hast, so schnell hingeschmissen? Das habe ich nie verstanden.“
„Weil es eigentlich schon vor der Trennung von Dieter, praktisch ab dem Zeitpunkt, als ich mit Schimpf und Schande aus der Werbeagentur geflogen bin, in Australien keine berufliche Perspektive mehr für mich gab.“
„Oh je!“ Evas Augen wurden ganz groß. „Dann hättest du besser gar keinen neuen Job gesucht und hättest gleich zurückgehen sollen. Aber da ist wohl Dieter dagegen gewesen.“
„Diese Ratte“, antwortete Isabella. „Wenn ich gewusst hätte, dass mich Dieter so bald danach verlassen würde, wäre ich wirklich sofort in die alte Heimat zurückgekehrt, das kannst du mir glauben. Ich hätte keine Rücksicht auf seine Meinung genommen, hätte mir meinen Anteil vom gemeinsamen Konto abgehoben und wäre auf und davon.“
Isabella hatte ihren Koffer geöffnet und suchte nach einem Handtuch. „Doch ich war zu dumm dazu und habe wertvolle Zeit verplempert. Aber wie war es denn bei dir? Warum bist denn du geblieben, wo du doch eigentlich von Anfang an nach Deutschland zurückwolltest?“
Eva musste nicht lange überlegen. „Natürlich, das wollten wir doch alle mal. Spätestens an Weihnachten, wenn wir die Winterkälte vermisst und uns über die Plastikdekorationen und die grässlichen Grillpartys aufgeregt haben, mit denen die Festive Season eingeläutet wurde. Oder wenn ein Brief von zu Hause kam, oder aber Besuch, der eine aktuelle Zeitschrift mitbrachte. Weißt du noch, wie wir immer auf die Brigitte gewartet haben? Fast religiös jedes Rezept ausprobiert und die albernste Mode nachgemacht haben. Natürlich habe ich bei solchen Gelegenheiten Heimweh bekommen, aber das ist doch ganz normal. Die Sehnsucht wurde mit der Zeit allerdings immer schwächer und hat mich immer seltener überkommen. Also, ich habe nie ernsthaft daran gedacht, zurückzugehen.“
„Dann hast du Glück gehabt“, sagte Isabella trocken. „Wer geht als erste duschen?“
„Von mir aus du“, bot Eva an. „Ich hole mir noch einen Kaffee.“
„Bring mir auch noch einen mit. Vielleicht sollte ich sogar ganz auf die Dusche verzichten, wenn ich mir das Bad so anschaue.“ Sie hatte die Badtür geöffnet, tänzelte auf nackten Zehenspitzen über die kalten Fliesen und rümpfte dabei gespielt die Nase.
Eva griff nach einem Kissen und warf es in Richtung Badtür. „Schau, dass du dich anständig wäschst, du Prinzessin auf der Erbse! Und ob ich dir einen Kaffee mitbringe, muss ich mir noch überlegen.“ Mit diesen Worten ging sie aus dem Zimmer und war froh, für einen Augenblick allein zu sein.
Nur mit Mühe hatte sie zuvor die Wahrheit vor ihrer alten Freundin verbergen können. „Nein, nein – ich habe nie ernsthaft daran
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