Die Auswanderinnen (German Edition)
schnell verdampfen?“, fragte sie.
„Ich hoffe, ich störe die Damen nicht.“ John stellte ein Tablett mit drei großzügig gefüllten Gläsern auf den Tisch. „Geht aufs Haus! Jo Anns Freunde sind auch meine Freunde!“
„Verdammt“, nuschelte Jo Ann und blickte mit zusammengekniffenem Mund auf die goldbraune Flüssigkeit.
Eva und Isabella bedankten sich freundlich und baten John, sich doch eine Weile zu ihnen zu setzen.
„Verzieh dich“, zischte Jo Ann.
„Na komm schon“, meinte Isabella, die vor allem von Johns Lächeln angetan war. Es war frech und offen, ohne arrogant zu wirken.
„Wir haben etwas zu besprechen“, bestimmte Jo Ann.
John nickte wissend, drehte sich um und ging dann schnell zum Tresen zurück, wobei er sich leise einen unverbesserlichen Dummkopf schalt. Irgendetwas bedrückte Jo Ann, doch er war in seinem unsinnigen Versuch, sie ein bisschen aufzuheitern, schon wieder zu weit gegangen und hatte sich erneut zum Narren gemacht.
Die Frauen prosteten sich zu. Jo Ann erklärte ungefragt, dass John nur ein guter Freund sei. Ein Kumpel, mit dem man lachen, und bei dem man sich entspannen könne. Das sei alles. Isabella bohrte noch eine Weile nach, weil sie, wie sie mehrmals betonte, absolut nicht verstehen könne, dass eine gesunde, normale Frau nicht auf so einen Leckerbissen wie John scharf wäre. Aber Jo Ann erklärte ihr, dass sie kein Interesse habe.
„An John, oder an den Männern allgemein?“, fragte Isabella daraufhin.
Und als sie keine Antwort bekam, formulierte sie ihre Frage neu. „Oder hast du etwa kein Interesse mehr an Sex? Das kann doch wohl nicht sein. Du musst doch in den letzten fünfundzwanzig Jahren irgendwann einmal einen Mann gehabt haben?“
„Ja, erzähl mal“, bat Eva. Die Unterhaltung entwickelte sich ganz nach ihrem Geschmack. „Ich finde, wir sollten uns gegenseitig mehr aus unserem Leben erzählen. Was so passiert ist in all den Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben. Bis jetzt haben wir immer nur von unserer gemeinsamen Vergangenheit gesprochen, dabei hat sich seitdem im Leben von jeder von uns doch so viel Neues getan. Wir haben uns so lange nicht gesehen, und in Briefen oder Telefonaten kann man das dem anderen nie so nahe bringen. Es ist so kompliziert, Gefühle zu erklären, von denen man manchmal selbst nicht ganz genau weiß, warum man sie hat ...“
„Das klingt ganz nach dir“, lachte Isabella. „Du hast dich stets von undefinierbaren Gefühlen leiten lassen. Aber du hast Recht, es ist ein guter Ansatz, um sich wieder näherzukommen. Wer fängt an? Johanna, entschuldige, ich meine Jo Ann, willst du?” Diese schüttelte den Kopf. „Okay, du Eva?“
Eva ließ sich nicht zweimal bitten. „Von mir gibt’s nicht besonders viel zu berichten. Als du nach Deutschland zurückgegangen bist, Isabella, da war Jo Ann schon in Lightning Ridge, und ich fühlte mich plötzlich sehr alleine und verlassen. Schon komisch, dass wir uns in den ersten Jahren in Sydney so gar keinen Freundeskreis geschaffen haben. Es gab immer nur uns sechs ...“
„Deshalb wahrscheinlich“, pflichtete ihr Isabella bei.
„Kurt hat am Anfang immer gesagt, die Australier mögen uns Deutsche nicht“, warf Jo Ann ein.
„Quatsch“, meinte Eva. „Das ist doch Quatsch, oder? Wir waren selbst schuld an unserer Ausgrenzung. Wir haben doch immer nur zusammengesessen und uns in unserer eigenen Sprache unterhalten. Da war doch gar kein Platz für andere. Aber was soll’s. Als ihr weg wart, wurde es ziemlich still um mich herum. Ich wurde praktisch dazu gezwungen, mir einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen. Uwe hatte so gut wie nie Zeit für mich. Wenn ihr euch erinnert, er hatte sich doch kurz nachdem ... also, kurz nach, äh, nach dem Unglück, selbstständig gemacht. Wann war das noch? So etwa zwei Jahre nachdem Kurt und du hierher gezogen wart, richtig Johanna?“
„Jo Ann!“
„Also, ja, Jo Ann – meine Güte, ich weiß nicht, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde – also, es waren etwa zwei Jahre ...“ Jo Ann nickte. „Und die Sache mit ... also, mit dem Unfall, das war dann im Oktober des zweiten Jahres, oder?“ Jo Ann nickte wieder. „Dann bist du, Isabella, Anfang des darauf folgenden Jahres nach Deutschland zurück?“
„Stimmt“, bestätige Isabella, „Dieterlein, diese miese Ratte, war im Januar abgehauen, nur wenige Monate nach der schrecklichen Sache ...“
„Nach Kurts Tod, meint ihr“, warf Jo Ann eisig ein. „Nennt das Kind doch
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