Die Auswanderinnen (German Edition)
das geschafft hat, obwohl ich ihm doch die Buchführung gemacht habe. Er muss wohl einige Aufträge schwarz abgerechnet haben. Das Bargeld, das er dafür kassiert hat, habe ich allerdings nie in die Hände bekommen.“
In diesem Moment stellte John wortlos die bestellte Runde auf den Tisch und legte demonstrativ einen Zeigefinger auf den Mund, als sich Eva dafür bei ihm bedankte. Er würde ihr Gespräch mit keinem weiteren Wort mehr unterbrechen, ganz wie befohlen, machte er Jo Ann mit einem Augenblinzeln klar. Dann drehte er sich wieder um und ging zurück zum Tresen.
„Der Kerl ist wirklich eine Klasse für sich“, stellte Isabella fest. „Er hat Humor, und er ist eindeutig an dir interessiert, Jo Ann. Darüber solltest du einmal nachdenken!“
„Ach, vergiss es“, winkte Jo Ann ab. „Erzähl lieber weiter, Eva. Wie kam es, dass du dich dann doch noch von Uwe getrennt hast?“
„Tja, da gibt’s nicht viel zu erzählen. Wir zogen in das neue Haus und damit war mein Schicksal besiegelt. Verheiratet, Mutter einer Tochter, finanziell völlig abhängig, und nun auch noch Hausbesitzerin. Wie hätte ich das alles wieder aufgeben oder ändern können. Mein Leben war gelaufen ...“
„Und du hattest immer noch Heimweh?“
„Ja!“
„Aber das ist ja fürchterlich“, meinte Isabella. „Fast schon eine Tragödie!“
Eva winkte ab. „Ach was, ganz so schlimm war es nun auch wieder nicht. Es war eher wie eine chronische Krankheit, die zwar immer da, aber meist ganz erträglich und nur in akuten Phasen sehr deprimierend ist. Dann war mir jedoch immer ganz elend und ich wollte sterben. Mit Uwe konnte ich nicht darüber reden. Er würde nie mehr zurückgehen, das war mir klar. Sein Lebensinhalt befand sich nun in Sydney, sein Ein und Alles.“
„Nadja!“, stellte Jo Ann fest.
„Nein, nicht Nadja. Uwe war richtiggehend enttäuscht gewesen, dass wir „nur“ ein Mädchen bekommen hatten. Er hat in den darauf folgenden vier Jahren immer wieder von einem zweiten Kind gesprochen, weil er unbedingt einen Jungen als Nachfolger und Erben für die Firma wollte. Er dachte, dass sich ein Mädchen nicht für die Firma interessieren würde. Ha, wenn der gewusst hätte ...“
Eva hob ihr Glas, um mit den Freundinnen anzustoßen. Danach machte sie bewusst eine kleine Pause, um die Spannung kurz vor dem Höhepunkt ihrer Erzählung noch einmal zu steigern.
„Wie gesagt, Uwe hat sich kaum um Nadja gekümmert, wobei ich das damals gar nicht so registriert habe. Er war fast nie zu Hause, immer in der Werkstatt oder bei Kunden. Sehr oft bei Kunden, denn wir hatten schon bald vier Schreiner eingestellt, die in der Halle die Aufträge abarbeiteten, während Uwe akquirierte, mit den Auftraggebern die Angebote besprach, und auch vor Ort war, wenn die Bestellungen eingebaut wurden. Ich habe es einfach nicht bemerkt ...“ Wieder machte sie eine Kunstpause und fuhr dann fort: „Also, er hatte jahrelang eine Geliebte, und als diese schwanger wurde ... tja, das war’s dann! Als sein Wunschsohn unterwegs war, war eben kein Platz mehr für Frau und Tochter. Er hat dann noch bis kurz nach der Geburt gewartet, um es mir zu sagen, weil er wohl ganz sicher sein wollte, dass alles glatt gehen und es auch wirklich ein Junge sein würde! Jedenfalls wurde Nadja gerade eingeschult, als er mich um die Scheidung bat. Was heißt bat? Er hat mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Hatte für seine neue Familie schon ein zweites Haus gekauft und ist bei uns ausgezogen. Ich durfte das alte Haus behalten, inklusive einer Hypothek, die er kurz zuvor noch aufgenommen hatte, um das zweite Haus anzuzahlen, und er zahlte mir natürlich eine kümmerliche Abfindung für meinen Firmenanteil. Einmalig, selbstverständlich! Ich blöde Gans hab da irgend so ein Schriftstück unterschrieben, dass ich keine Ansprüche stellen würde. Ich kann euch sagen, er hat mich so überrumpelt, ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah.“
„Ach, du meine Güte!“, rief Isabella aus. „Ich hatte ja keine Ahnung. Du hast immer nur geschrieben, dass ihr euch auseinandergelebt hättet. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“
„Weil ich so wütend auf mich selbst war. Wie naiv ich gewesen bin! Manchmal ärgere ich mich sogar noch heute darüber. Denn Uwes Firma hat sich seitdem prächtig entwickelt, ihr müsst wissen, dass er in der Zwischenzeit mehrere Filialen in ganz Australien besitzt. Die Firma war schon damals hundertmal mehr wert, als ich als
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