Die Auswanderinnen (German Edition)
endlich mal beim Namen! Es hat doch keinen Sinn, wenn wir dauernd um den heißen Brei herumreden. Kurts Tod! Der Tag, an dem er gestorben ist! Nicht das Unglück, oder der Unfall, oder die schreckliche Sache. Ihr meint Kurts Todestag, verdammt noch mal! Der zweiundzwanzigste Oktober!“, zischte sie leise.
„Ja, in Ordnung“, sagte Isabella, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen. „Wie gesagt, Dieter machte die Fliege nicht einmal drei Monate später.“
Eva nickte, trank einen winzigen Schluck und schüttelte sich. Sie mochte Alkohol nicht besonders und Whisky schon gar nicht. „Genau. Und Uwe kündigte ungefähr zur selben Zeit, in der Dieter dich verlassen ... äh, ich meine, in der ihr euch getrennt habt ... seine Stelle und machte drei Monate später seine eigene Schreinerei auf. Das hat mich ganz schön verblüfft. Ihr wisst doch, wie konservativ und vorsichtig er immer war, deshalb hatte ich auch immer geglaubt, dass er sich in der Firma, bei der er angestellt war, irgendwann Mal einkaufen würde. Sein Boss dort war so nett und hatte keine eigenen Kinder. Jedenfalls, schwanger wie ich damals war, hat es mich total belastet, dass Uwe einfach losrennt und kündigt und sich selbstständig macht. Wir hatten überhaupt keine Ersparnisse auf der Bank, und ich hatte meinen Job doch verloren. Mein Gott, ich war so wütend auf ihn, vor allem, weil er sich nicht mit mir abgesprochen hatte. Als ginge mich das alles nichts an.“
„Eigenbrötlerisch ist er ja immer schon gewesen“, sagte Jo Ann, die Eva mit ihrem anschließenden Kommentar noch mehr erstaunte. „Außerdem war er so fad wie eine ungesalzene Haferschleimsuppe!“
„Wie kommst du denn darauf?“, lachte Isabella. „Haferschleimsuppe? Das ist gut! Das passt zu Uwe, er war wirklich eine Trantüte erster Güte.“
„Also hört mal“, beschwerte sich Eva. „Ihr sprecht von meinem Ex! Ich war immerhin einige Jahre mit ihm verheiratet!“
„Prüde wie ein alter Prediger!“, reizte Isabella sie weiter.
„Und pedantisch wie ein Finanzbeamter!“, setzte Jo Ann nach.
„Ich glaube, ihr beide seid betrunken“, stellte Eva mit einem Blick auf ihre leeren Whiskygläser fest. Nur ihr Glas war noch halb voll.
„Sollen wir noch einmal?“ Jo Ann wartete keine Antwort ab, sondern hob die Hand und gab John das Signal für eine neue Runde.
Eva sah sie prüfend an. „Donnerwetter, für jemand, der früher nie Alkohol angerührt hat, schluckst du ganz schön was weg!“
„Na und?“
„Nichts, ich meine ja nur. Ich muss mich erst daran gewöhnen, dich trinken zu sehen. Also, wo war ich stehen geblieben? Ihr bringt mich total durcheinander. So schlimm war Uwe nun auch wieder nicht, oder?“
Die Frauen verdrehten die Augen und Isabella ging sogar so weit, sich einen Finger in den geöffneten Mund zu stecken und Würgegeräusche anzudeuten.
„Okay, okay! Er war ziemlich langweilig, das gebe ich zu. Und sehr penibel. Immer korrekt. Eigentlich war er unheimlich spießig. Die Jahre mit ihm waren die langweiligsten meines Lebens. Leider dachte ich damals, es müsste so sein. Ich hatte mich schließlich für ihn entschieden und wir waren so weit von zu Hause weg. Was hätte ich denn anderes machen sollen?“
Isabella unterbrach sie. „Zum Beispiel dich scheiden lassen! Alles hinschmeißen! Du warst doch kreuzunglücklich, mit deinem Heimweh. Ich verstehe nicht, warum du ihn nicht einfach verlassen hast und nach Deutschland zurückgegangen bist.“
„Oh, das hatte ich auch vor“, erklärte Eva. „Ich bin nicht so doof, wie du denkst. Mein Plan war allerdings, zu warten, bis Nadja schulpflichtig wird. Dann hätte ich mich nicht so schämen und als Versagerin fühlen müssen. So lange wollte ich aushalten. Als Uwe die eigene Werkstatt hatte, habe ich dort mitgearbeitet und ihm das Büro geführt. Er hat mir dafür kein Gehalt bezahlt, aber auf diese Weise kam wenigstens Geld in die Haushaltskasse, wenn auch sehr wenig. Er hat immer gesagt, wir müssen sparsam sein, damit wir uns irgendwann ein eigenes Haus leisten können.“
„Also ging es euch recht gut, auch wenn du nie über eigenes Geld verfügt hast“, stellte Jo Ann fest.
„Richtig! Ewig musste ich sparen. Nie war mal ein schönes Kleid oder ein Besuch beim Friseur drin. Jeder Cent wurde von Uwe kontrolliert und eingeteilt. Aber das muss ich ihm lassen, nach zwei Jahren haben wir uns das Haus kaufen können. Ohne Darlehen. Ganz klar ist mir allerdings bis heute noch nicht, wie er
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