Die Auswanderinnen (German Edition)
der harmlosen Freundin, die trotz allem noch immer an ihrem Mann zu hängen schien. „Schon gut, ich mach ja nur Spaß. Ich versteh dich ja. Also lass uns deinen konfusen Gedankengang von vorhin noch einmal rekapitulieren: Du bist zwar davon überzeugt, dass die Opalsuche hirnrissig ist, möchtest aber, dass diese ausgemachten Deppen noch einmal lange und ausgiebig im Dreck wühlen, allerdings ohne jeden Erfolg. Das ist gar nicht mal so dumm, das muss ich dir lassen. Eine Rosskur ist wahrscheinlich das Einzige, was sie zur Vernunft bringen wird.“
„Ich hoffe, dass sie nichts finden ...“
„Natürlich werden sie das nicht! Es war doch reiner Zufall, beim letzten Mal.“
Eva legte ihre Hand auf Isabellas Arm und drückte ihn sanft. „Also kommst du mit?“
Der Kellner brachte ihren Wein und Isabella nutzte den kurzen Moment, um zu überlegen. Sollte sie Dieter zuliebe noch einmal in dieses elende Kaff fahren? Auf keinen Fall. So wie er sie in den vergangenen Monaten behandelt hatte, war es eher angebracht, die Scheidung einzureichen. Darüber sollte sie sich in nächster Zeit einmal ernsthaft Gedanken machen. Ihre Beziehung war inzwischen so kalt und lieblos geworden, dass sich daran auch nichts mehr ändern würde. Aber eine Trennung? Was würde ihre Familie dazu sagen? Und durfte man nach zwei Jahren schon aufgeben? Hatte sie wirklich alles versucht und war sie nicht mit Schuld am Scheitern ihrer Ehe? Wäre es anders, wenn es Hal nicht gegeben hätte? Aber warum hatte es ihn überhaupt gegeben? Sie blickte Eva geradewegs in die Augen und sah die verzweifelte Bitte, die in ihnen lag. „Na meinetwegen“, sagte sie, ohne noch weiter darüber nachzudenken. „Ich komme mit. Aber dafür musst du jetzt hier sitzen bleiben und zusehen, wie ich mir mein schwachsinniges Gehirn völlig zudröhne und mir genügend Mut antrinke, um meinem geliebten Dieterlein nachher die frohe Botschaft meiner Kapitulation zu überbringen.“
„Er wird sich bestimmt freuen“, meinte Eva erleichtert.
„Apropos freuen“, fragte Isabella, „willst du es wirklich bis Weihnachten geheim halten?“
Eva nickte. „Bitte verrate mich nicht.“
„Du spinnst noch mehr als ich, aber ich werde schweigen wie ein Grab. Ich finde es zwar nicht in Ordnung, aber meine Loyalitäten liegen bei dir, nicht bei deinem Mann.“
Sie prostete Eva zu, überzeugt, ihre Einstellung klargemacht zu haben. Eva war zwar ein dummes Huhn, aber wer war sie schon, dass sie die Freundin dafür hätte verurteilen können?
Um dreiundzwanzig Uhr, kurz vor Zapfenstreich, bestellte sie beim Kellner ein Taxi, setzte Eva in der Spofforth Street ab, obwohl dies ein Umweg war, und fuhr anschließend nach Mosman weiter. Nach Hause. Dieter war noch nicht zurück, also legte sie ihm am nächsten Morgen einen Zettel neben die Kaffeetasse.
„Sollen wir Weihnachten nach Lightning Ridge fahren?“
Am Abend stand ein hingekritzeltes „OK“ daneben.
Kapitel 31
Johanna hatte keine Ahnung, dass Isabella ihren Mann als Sklaventreiber bezeichnet hatte. Ihr selbst wäre dieses Wort niemals in den Sinn gekommen. Wie ihr auch viele andere Worte schon lange nicht mehr in den Sinn und erst recht nicht in den Mund kamen. Sklaventreiber! Nannte man so etwa einen Mann, der seine Frau mit Gewalt zur Arbeit zwang? Der seine Körperkraft dazu nutzte, ihr seinen Willen aufzuzwingen?
Kurt hatte schon längst aufgehört, sie zu manipulieren, mit Erklärungen zu besänftigen und ihre Liebe zu ihm auszunutzen. Sie lebten nicht mehr in der Großstadt und befanden sich nicht mehr unter vielen Menschen. Hier, in diesem entlegenen Teil des fremden Kontinents, war es nicht mehr nötig, irgendwelche zivilisatorischen Regeln einzuhalten. Hier lebte und werkelte jeder vor sich hin, völlig unbehelligt von seinen Nachbarn, die sich in nichts einmischten. Hier konnte Kurt seine Fassade, die er in Sydney noch mühsam aufrechterhalten hatte, ablegen und ganz er selbst sein. Und hinter dieser Fassade aus kerniger Gutmütigkeit und unbeholfener Höflichkeit, die ihm seine Arbeitskollegen nachgesagt hatten, und die auch Johanna anfangs noch vermutet und später liebevoll verklärt hatte, lauerte unerbittliche Grausamkeit. Die Verbitterung über seine einsame, harte Kindheit war inzwischen längst zur Kaltherzigkeit mutiert.
Als er erwachsen geworden war und noch die Wahl gehabt hatte, sich selbst zu retten, indem er den Schutzpanzer aufbrach, der seine Seele vor dem Schlimmsten bewahrte,
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