Die Auswanderinnen (German Edition)
hatte er den einfacheren Weg gewählt und sich stattdessen tiefer in seine eigene emotionale Hölle zurückgezogen und den dort schwelenden ätzenden Hass geschürt. Dort hatte er dann aber auch Linderung für die eiternden Geschwüre seiner Seelenverletzungen gefunden. Er entdeckte, wie gut es tat, böse zu sein. Die Schmerzen, die er Tieren und Menschen zufügen konnte, gaben ihm das Gefühl, mächtig und unabhängig zu sein. Er war der Herr, und die Ausübung seiner Tyrannei verlieh ihm eine ungeheuere Befriedigung, die stärker und befreiender war als all die simplen sexuellen Praktiken, die er sich bereits als Kind angeeignet und mehrmals täglich ausgeübt hatte. Vor allem Johanna, die größer, imposanter und schöner war als jede andere Frau, die er je gesehen hatte, spornte ihn zu sadistischen Bestleistungen an. Sie war seine Muse. Er hatte sie sofort haben, besteigen und besitzen wollen. Seine Macht, die darauf beruhte, dass er anderen Qualen zufügte, war eine Kunst, die er schon lange perfektioniert und mit dem Drang, sich auch als Mann zu beweisen, verbunden hatte. Als er das erste Mal das übermächtige Verlangen verspürt hatte, die Frau seiner Wahl mit allen Mitteln zu unterwerfen und sie sich so zu eigen zu machen, dass sie sich selbst aufgab und sogar um weitere seelische Grausamkeiten bettelte, nur um dadurch den körperlichen Schmerzen, die er ihr zufügte, entgehen zu können, war er so erregt gewesen wie noch nie zuvor.
Natürlich wusste er, dass diese Neigung abartig und gesellschaftlich geächtet war, und versuchte instinktiv sie zu verbergen. Vor Johanna, und vor allen denen, die Johanna beeinflussen konnten. Er hatte sich krampfhaft bemüht, in ihrem direkten Umfeld besonders freundlich und höflich zu sein, aber Johannas Eltern hatten ihn leider sofort durchschaut. Nur Johanna war blind vor Liebe gewesen, und er selbst hatte sich auch vor ihr so lange wie möglich zurückgehalten. Hatte seine abartigen Wünsche so gut es ging unterdrückt und hatte sie jedes Mal, wenn ihn die Lust überkommen und er sie ein wenig gequält hatte, gebeten ihm zu verzeihen. Bis sie endlich in Lightning Ridge angekommen waren.
Gleich nachdem die Freunde abgefahren waren, hatte Kurt begonnen, den Schacht gründlich zu untersuchen. Natürlich war der winzige Glitzerstreifen, den die drei Männer gemeinsam entdeckt hatten, erst der Anfang gewesen. Im Laufe der nächsten Wochen fand Kurt noch eine zweite tiefere und breitere Spur mit flachen Opalschichten, die sich für hochklassige Opaltripletten eigneten und sofort von den Händlern vor Ort aufgekauft wurden. In diesen hektischen, aufregenden Tagen hatte er Johanna angewiesen, die gefüllten Eimer so schnell wie möglich zum Schachtausgang zu schleppen, einen nach dem anderen, so lange, bis ihr vor Erschöpfung die Beine einknickten und sie auf dem Boden liegen blieb. Sie beklagte sich nie, was er irgendwie schade fand. Und so schlug er sie manchmal im Vorbeigehen, aber sogar dann wimmerte sie nur ganz leise.
Als er die zweite Spur fand, verbot er ihr, mit ihm nach hinten zur Schürfstelle zu gehen. Es war sein Fund, sein Schatz, sein Eigentum! Nun war er derjenige, der die vollen Eimer zum Schachteingang brachte und dann laut nach ihr pfiff, damit sie angelaufen kam und ab da die weitere Arbeit im Schacht übernahm. Es kümmerte ihn nicht, dass sie mit ihren Eimern dem Ausstiegsloch dabei gefährlich nahe kam. Er wusste, dass sie nicht vor ihm fliehen konnte. Wenn er an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ihn nichts gehalten, er hätte bestimmt einen Weg gefunden, sich aus der Knechtschaft zu befreien, aber dafür war sie natürlich nicht klug genug.
Kapitel 32
Lightning Ridge, heute
Um sieben Uhr morgens war es bereits taghell, aber weder Eva noch Isabella wurden von den schräg auf ihr Bett fallenden Sonnenstrahlen geweckt. Erst gegen neun Uhr stöhnte Isabella leise auf und versteckte ihr Gesicht zwischen den Kissen, um ihre Augen gegen die quälende Helligkeit zu schützen, während Eva nicht einmal auf ihr Gejammer reagierte.
„Oh mein Gott“, wimmerte Isabella vor sich hin, „oh mein Gott, ich glaube, ich muss sterben!“
Das ging eine ganze Weile so weiter, bis sich Eva schließlich ganz langsam und vorsichtig aufsetzte. Sie studierte das Wasserglas neben ihrem Bett so intensiv, als müsse sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen, und griff schließlich danach, um einen Schluck zu trinken. Dann ließ sie sich behutsam wieder
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