Die Auswanderinnen (German Edition)
ist einfach nicht wichtig!“
„Wie ein Kaninchen ...“ Isabella formte eine Schnute und knabberte mit den Vorderzähen auf ihrer Unterlippe herum.
Eva musste lachen. „Hör auf damit.“ Ihr fiel Isabellas morgendliches Geständnis wieder ein. „Erzähl mir lieber, mit wem du eine Affäre hattest.“
„Mit Hal.“
„Hab ich also doch richtig gehört!“ Eva war entzückt. Die Neuigkeit vertrieb ihre schlechte Laune augenblicklich. „Erzähl!“, befahl sie. „Sofort!“
„Was gibt es da zu erzählen? Hal und seine Frau kamen zu einer unserer Partys. Ich glaube, es war am Ostersamstag. Ich habe ihn vor seiner Frau bloßgestellt, und nach Ostern brauchte ich dann nicht einmal mehr in die Agentur zu kommen. Er hat mich um sieben Uhr morgens angerufen, mich gefeuert und mir ein ab sofort wirksames Hausverbot erteilt.“
„Mann-oh-Mann, das wusste ich ja gar nicht. Du hattest tatsächlich eine Affäre mit ihm? Das habe ich dir gar nicht zugetraut.“ Eva war so verblüfft, dass sie alles ganz genau wissen wollte. Wann, wie oft, wo und noch tausend andere unwichtige Dinge. Isabella gab ihr bereitwillig Auskunft, es war schon so lange her, sie brauchte ihren guten Ruf nicht mehr zu schützen. Sie erzählte unverblümt, bis Eva sie zuletzt nach dem Warum fragte.
„Da fragst du noch? Du hast Dieter doch gekannt. Er war wie ein Fähnchen im Wind. Nie hatte er eine eigene Meinung, immer zählte der Schein mehr als das Sein, ich konnte ihn einfach nicht mehr respektieren.“
„Quatsch“, entgegnete Eva. „Du hast dich immer nach ihm gerichtet. Und alles für ihn getan. Sein Wunsch war dir Befehl, oder täuscht mich mein Gedächtnis?“
„Mag sein“, gab Isabella halbherzig zu. Sie hob ihr leeres Glas und bedeutete der Kellnerin, dass sie gerne noch eine Cola hätte.
Eva zeigte schnell zwei Finger, denn die Cola hatte ihren angeschlagenen Magennerven gut getan und ein zweites Glas konnte bestimmt nicht schaden. Dann fuhr sie unbeirrt fort: „Ich verstehe immer noch nicht. Dieter war doch ein ganz gut aussehender Mann! Hal hingegen war ein kleiner aufgeblasener Werbefutzi mit Halbglatze. Willst du mir etwa weismachen, dass du in ihn verliebt warst?“
Isabella schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Er war wirklich kein Adonis. Jenseits des Verfallsdatums und schwabbelig um den Bauch herum.“
„Genau! Also, was war es? Seine Position in der Firma?“
Die Kellnerin brachte ihnen die beiden Colas und räumte den Tisch ab.
Isabella trank, genauso wie Eva, ihr Glas fast in einem Zug aus, rülpste leise und lehnte sich nachdenklich zurück. Vielleicht war es langsam an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. Sie fühlte sich irgendwie erleichtert, als sie endlich zugab: „Hal mag nicht besonders attraktiv gewesen sein, aber er war mein Boss. Ich habe mir Vorteile für Dieter – und damit auch für mich selbst – ausgerechnet.“
„Man sagt wohl nicht zu Unrecht: Macht macht sexy“, sinnierte Eva. Sie hatte nicht verstanden, oder nicht verstehen wollen. Isabella als knallhart kalkulierende Liebesdienerin, das passte nicht in Evas Weltbild. „Und wir dachten alle, du hättest der Agentur gekündigt, nicht umgekehrt!“
„Das war Dieters Version!“
„Aber du hattest schnell wieder einen Job.“
„Und das war das Beste, was mir passieren konnte“, meinte Isabella. „Raus aus der kaputten Werbebranche, rein ins echte Leben. Die Import-Export Branche liegt mir viel mehr. Gott, ist das lange her ... hör mal, es ist schon nach drei! Wir sollten langsam aufbrechen und zu Johanna fahren. Ich bin gespannt, wie es ihr heute geht.“
Eva nickte zustimmend und so machten sie sich auf den Weg. Erst kurz vor Jo Anns Anwesen verlangsamten sich ihre Schritte. Jo Anns schreckliche Beichte des letzten Abends stand wie ein Hindernis zwischen ihnen und dem Hoftor.
„Wie sollen wir reagieren?“, fragte Eva, und Isabella verstand sofort, was sie meinte, wusste aber auch nicht, wie sie sich am besten verhalten sollten. „Hältst du es eigentlich für möglich, dass Kurt so etwas getan hat? Dass er fähig war, sie anzuketten? Glaubst du eigentlich, was uns Johanna da alles erzählt hat?“, hackte Eva nach.
„Jo Ann“, wurde sie von Isabella berichtigt, die sich gedanklich bereits umgestellt hatte.
„Dann eben Jo Ann“, seufzte Eva. „Warum sollte sie uns belügen?“
Isabella zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht ist es für sie ja keine Lüge, sondern nur ihre Version der Wahrheit.
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