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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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immer wieder ausgedrückt hatte, zurückgelassen vorgekommen und die erste Zeit nach dem Unglück tatsächlich unfähig gewesen, an ihre Zukunft zu denken, und was meine betroffen hatte in ihrem Denken, mußte sie mit Hoffnungslosigkeit und sonst nichts konfrontiert haben. Die Aussichten waren die schlechtesten, wenn sie auch noch in Betracht zogen, daß der von ihnen aus gesehen in jedem Falle lebenslänglich geschwächte, ins Unglück gestürzte Enkel jetzt seinen Großvater und Lehrer und Bewahrer verloren hatte. Über Nacht war ihnen eine Verantwortung aufgebürdet worden, die tatsächlich über ihre Kräfte ging. Und sie hatten sich auch jetzt nicht für mich, der ich achtzehn Jahre von meinem Großvater allein erzogen worden war, zuständig gefühlt. Der Großvater hatte mich sozusagen von Geburt an ihrem Erziehungseinfluß entzogen und ganz unter seinen Schutz und unter seinen Geist gestellt gehabt, sie hatten auf mich in diesen achtzehn Jahren keinerlei Einfluß ausüben können. Mein Großvater hatte sie von meiner Erziehung ausgeschlossen, ihnen, in logischer Konsequenz ihres Verhaltens mir gegenüber, auch alle Rechte an meiner Erziehung abgesprochen gehabt, jetzt waren
sie
für mich nicht mehr nur juristisch, sondern auch moralisch verantwortlich. Was, mag sehr oft ihr Gedanke gewesen sein, geschieht, wenn er (also ich) aus dem Krankenhaus herauskommt? Dieser Zeitpunkt war nicht mehr fern, jedenfalls absehbar, und im Grunde fürchteten sie sich jetzt vor diesem Zeitpunkt. Sie hatten hinter der Freude über meine von Tag zu Tag näherrückende, aufeinmal schon wahrscheinliche baldige Entlassung, ihre Angst vor dem Augenblick meiner Entlassung nicht verbergen können, und einerseits wünschten sie tatsächlich den Zeitpunkt meiner Entlassung aus dem Krankenhaus so wie ich herbei, aber andererseits fürchteten sie sich vor diesem Datum. Denn das war ihnen auch klar gewesen, daß ich ihnen, wenn aus dem Krankenhaus entlassen, auf jeden Fall längere Zeit zur Last fallen würde, denn es war ausgeschlossen, daß ich nach meiner Entlassung so weit hergestellt sein würde, um wieder in das Geschäft zu gehen. Daran und also an meine Versorgung war nicht zu denken gewesen. Und meine Karriere als Sänger, an die sie selbst niemals, nicht einen Augenblick lang, geglaubt hatten, war auch dahin gewesen. Wenigstens hatten sie, was sie aber nur in geringem Maße hatte erleichtern können, bei der dafür zuständigen Handelskammer erreicht, daß ich, sobald wiederhergestellt, sofort zu der sogenannten Kaufmannsgehilfenprüfung antreten und also meine kaufmännische Lehre ordnungsgemäß abschließen konnte. Tatsächlich war ich, allerdings ein Jahr später als vorgesehen, zu dieser Prüfung angetreten und hatte sie bestanden und also meine Lehre ordnungsgemäß abgeschlossen. Die Meinigen waren jetzt auch mit der Hinterlassenschaft meines Großvaters beschäftigt gewesen. Plötzlich hatten sich für sie das Arbeitszimmer meines Großvaters und sein Inhalt, der ihnen zu Lebzeiten meines Großvaters immer verschlossen gewesen war, geöffnet. Sie hatten aufeinmal Zutritt zu dem Bereich, zu welchem ihnen, solange mein Großvater gelebt hatte, der Zutritt verwehrt gewesen war. Die Rede ist vom Nachlaß meines Großvaters, nicht von den wenigen Gegenständen und Kleidern, die er hinterlassen hat und die sie untereinander nach Wunsch und Bedürfnis aufgeteilt hatten, wenn es sich nicht um solche Gegenstände und Kleidungsstücke handelte, die mein Großvater in dem von ihm hinterlassenen Testament ausdrücklich angeführt hatte. Darunter hatte sich auch seine Schreibmaschine befunden, die er sich in den frühen zwanziger Jahren im Wiener Dorotheum ersteigert und auf welcher er alle seine Arbeiten
ins Reine
, wie er immer gesagt hat, geschrieben hatte und auf welcher ich selbst heute noch meine Arbeiten schreibe, eine wahrscheinlich schon über sechzig Jahre alte amerikanische L. C. Smith. Mit dieser seiner Schreibmaschine hatte er mir einen Anzug, zwei Röcke, zwei Hosen und einen sogenannten Schladminger, einen winterfesten, mit einem grünen Billardtuch gefütterten Überrock, vererbt. Nicht zu vergessen seine sogenannte Wandertasche, in welcher er auf seinen ausgedehnteren Spaziergängen Bleistift, Notizblock und andere ihm notwendig erschienene Kleinigkeiten untergebracht hatte. Viel mehr war nicht in seinem Besitz gewesen, wenn ich von seinem Bett, seinem Schreibtisch und seinem Bücherkasten absehe, die an seinen Sohn

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