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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Bemerkung:
damit du siehst, was du wert bist
. Auch das werde ich naturgemäß nicht vergessen, wie die eigene Mutter sich an dem untreuen Manne rächt, indem sie ihr und dieses Mannes Kind in die Hölle schickt mit einem teuflischen Satz, mit dem teuflischsten Satz aller Sätze, den ich im Ohr habe. Wie weit und wie tief die Verzweiflung gehen kann, weiß ich von diesen Höllengängen auf das Traunsteiner Rathaus, der Erste des Monats
war
für mich der Gang in die Hölle. Hatte das meine Mutter gewußt? Erschlagen?, erschossen? Die Frage beschäftigt mich freilich noch heute. Fünfundvierzig, ein paar Monate nach dem Krieg, hatte ich selbst, aus eigenem Antrieb, den Vater meines Vaters ausfindig gemacht, er hatte in Itzling, einem Salzburger Vorort, im Bahnhofsviertel, in einem Keller gehaust, im naßkalten Keller des Hauses eines seiner Söhne, eines der Brüder meines Vaters, die ich zeitlebens nie gesehen habe, ich hatte kein Interesse daran gehabt, sie kennenzulernen, warum auch, ich wußte von ihrer Existenz, aber ich wollte nicht daran rühren. Dieser Vater meines Vaters, damals schon an die siebzig, der erst kürzlich, wie ich aus der Zeitung erfahren habe, mit hundertvier Jahren gestorben ist und der wahrscheinlich, so dachte ich, so denke ich, so lange in dem naßkalten Kellerloch ausgeharrt hat, hatte von meinem Vater wie von einem Vieh gesprochen, von jedem seiner Söhne wie von einem Vieh, mein Vater sei schon lange
hin
, hatte er gesagt, auf einer Art von Thronsessel sitzend in einem riesigen Haufen Wäscheunrat und Schmutz. In diesem Kellerraum stand ein riesiges sogenanntes Himmelbett mit schweren Samtvorhängen, und da der Thronsessel in der gleichen Weise aus demselben harten Holz geschnitzt und von derselben grauenhaften Monstrosität gewesen war, hatte ich gedacht, ob nicht mein Vater diese geschmacklosen Möbel gezimmert und geschnitzt hat, weil er doch Tischler gewesen war, wie ich weiß, ich hatte danach aber nicht gefragt. Immer wieder hatte dieser väterliche Großvater, den ich nur dieses eine Mal in meinem Leben gesehen habe, weder vorher noch nachher, von meinem Vater gesagt, daß er nach Deutschland gegangen sei und dort fünf Kinder gemacht habe und
hin
sei. Er hatte immer erwähnt, daß sein Sohn geheiratet habe, immer wieder,
der hat in Deutschland geheiratet und fünf Kinder gemacht und ist längst hin
. Dieser Großvater zog aus einem wackeligen Tischchen, das so gar nicht zu den übrigen Möbelmonstern paßte, eine Lade und aus dieser eine kolorierte Fotografie heraus und gab sie mir, das Bildnis meines Vaters, das mir so ähnlich war, daß ich erschrocken bin. Ich steckte die Fotografie ein und rannte nachhause, und ich hatte mich nicht beherrschen können und mein Abenteuer meiner Mutter geschildert, ich hatte den Versuch gemacht, es zu schildern, dazugekommen bin ich nicht, denn sobald ich meiner Mutter auch nur zu sagen angefangen hatte, daß ich den Vater meines Vaters ausfindig gemacht hatte, überschüttete sie mich mit Schimpfwörtern und verfluchte mich. Die Unvorsichtigkeit, ihr die Fotografie meines Vaters zu zeigen, war Grund genug gewesen, mir dieses Foto aus der Hand zu reißen und es in den Ofen zu werfen. Nie mehr nach dieser Auseinandersetzung, die ich als eine der schlimmsten in meinem Leben in Erinnerung habe, hatte ich zuhause meinen Vater erwähnt. Ich rührte nicht mehr an das Thema, ich begnügte mich mit der Spekulation, wer er gewesen sein
könnte
, was für ein Mensch, was für ein Charakter. Hier hatte ich tatsächlich den größten Spielraum. Es ist nicht unwichtig, daß meine Mutter selbst es gewesen ist, die mir den genauen Ort meiner Erzeugung preisgab. Was hatte sie, die später nicht einmal mehr auch nur an meinen Erzeuger erinnert werden durfte, für einen Grund für diese Eröffnung? Von der Schulkameradin meiner Mutter, einer Fuhrwerkersfrau aus Henndorf, hätte ich sicher sehr viel, wenn auch nicht alles erfahren, und ich wüßte heute mehr als das entsetzlich wenige, das ich weiß. Mit diesem Wissen, das, je älter ich werde, desto kümmerlicher ist, ist es sinnlos, auch nur an die geringste Erforschung meines Vaters zu gehen. Aber will ich das auch? Ist es nicht ein Vorteil, so wenig und fast gar nichts von meinem Erzeuger zu wissen,
die Ahnung
über den Betreffenden ganz einfach immer wieder zum Mittel als Zweck zu machen? Hatten sie, die Meinigen, einschließlich meines Großvaters, richtig gehandelt oder falsch, indem sie meinen Vater aus

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