Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
nichts von dieser verheerenden Wirkung. Sie mußte sich Luft machen. Ihr Kind war ein Ungeheuer, das sie nicht aushielt, ein Kind der Schliche, ein Kind des Teufels. Meiner krankhaften Sucht nach Sensationen war sie niemals gewachsen. Sie wußte, daß sie ein außerordentliches Kind geboren hatte, aber eines mit entsetzlichen Folgen. Diese Folgen konnten nur das Verbrechertum sein. Sie hatte genug Beispiele vor Augen. Fortwährend dachte sie an ihren Bruder, meinen Onkel, das Familiengenie, das schließlich an seinem höllischen
Erfindungsreichtum
, so mein Großvater, zugrunde gegangen ist. Sie sah mich in allen möglichen Erziehungsanstalten und Gefängnissen, ich war ihr nicht zu rettendes, an die Mächte des Bösen verlorenes Kind. Sie hatte eine Religion für sich, naturgemäß nicht die katholische, was bei ihrem Vater, meinem Großvater, nicht möglich gewesen wäre, der vom Katholizismus seine vernichtende Meinung hatte. Die katholische Kirche war ihm eine ganz gemeine Massenbewegung, nicht mehr als ein völkerverdummender und völkerausnützender Verein zur unaufhörlichen Eintreibung des größten aller denkbaren Vermögen, die Kirche verkaufte in seinen Augen skrupellos etwas, das es nicht gibt, nämlich den lieben, gleichzeitig auch noch den bösen Gott, und beutet weltweit selbst die Ärmsten der Armen millionenfach aus nur zu dem Zwecke der unaufhörlichen Vergrößerung ihres Besitzes, den sie in gigantischen Industrien und in unendlichen Bergen von Gold und in ebenso unendlichen Stößen von Aktien in beinahe allen Bankhäusern der Welt fundiert hat. Jeder Mensch, der etwas verkauft, das es nicht gibt, wird angeklagt und verurteilt, sagte mein Großvater, die Kirche verkauft Gott und den Heiligen Geist seit Jahrtausenden in aller Öffentlichkeit völlig ungestraft. Und ihre Ausbeuter, mein Kind, und also Drahtzieher, wohnen außerdem in fürstlichen Palästen. Die Kardinäle und Erzbischöfe sind nichts anderes als skrupellose Geldeintreiber für nichts. Meine Mutter war ein gläubiger Mensch. Sie glaubte nicht an die Kirche, wahrscheinlich auch nicht an Gott, den ihr Vater, solange er lebte, immer wieder totgesagt hat, aber sie glaubte. Sie hielt an ihrem Glauben fest, wenngleich sie auch fühlte, daß er sie mehr und mehr im Stich ließ, wie alle Gläubigen. Am Ende des Essens, das mir noch allzu deutlich ist, kam mein Fall doch noch zur Sprache. Mein Großvater setzte zu einer längeren Verteidigungsrede an. Die Schule bedeute nichts, also bedeute es auch nichts, wenn ich sie schwänzte. Die Schulen überhaupt und die Volksschulen im besonderen seien grauenhafte, schon den jungen Menschen in seinen Ansätzen zerstörende Institutionen. Die Schule an sich sei der Mörder des Kindes. Und in diesen deutschen Schulen sei überhaupt die Dummheit die Regel und der Ungeist der treibende. Da es nun aber einmal Pflicht sei, die Schule zu besuchen, müsse man seine Kinder hinschicken, auch wenn man wisse, man schicke sie ins Verderben. Die Lehrer sind die Zugrunderichter, sagte mein Großvater. Sie lehren nur, wie der Mensch niedrig und gemein wird, ein verabscheuungswürdiges Scheusal. Er liebe es, wenn sein Enkel, anstatt in die Schule zu gehen, auf dem Bahnhof sich eine Bahnsteigkarte löse und mit dieser Bahnsteigkarte nach Rosenheim oder München oder Freilassing fahre.
Das ist ihm förderlich, nicht die Schule
, sagte er,
und wie gemein viele Lehrer sind! Was ihnen zuhause von ihren Frauen unterdrückt wird, lassen sie in der Schule an den Kindern aus. Ich habe die Lehrer immer verabscheut, mit Recht, mir ist noch kein Lehrer begegnet, der sich nicht in der kürzesten Zeit als gemeiner und niedriger Charakter erwiesen hätte
. Polizisten und Lehrer verbreiteten einen üblen Geruch auf der Erdoberfläche.
Aber wir können sie nicht abschaffen
. Lehrer seien nichts anderes als
Ver
zieher,
Ver
störer,
Ver
nichter. Wir schicken unsere Kinder in die Schule, damit sie so widerwärtig werden wie die Erwachsenen, denen wir tagtäglich auf der Staße begegnen. Dem Abschaum. Allerdings mache das Schuleschwänzen den sogenannten Erziehungsberechtigten Scherereien.
Ein kurzes Attest genügt!
sagte er.
Ein unerträgliches Halsweh!
rief er aus und fragte mich sofort, ob mich denn jemand, der mich verraten könne, gesehen habe. Ich schüttelte den Kopf. Meine Mutter saß uns, meinem Großvater und mir, starr gegenüber. Mein Großvater lobte die Mahlzeit, auch meine Großmutter sagte, das Essen sei wie schon lang

Weitere Kostenlose Bücher