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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Wolf-Dietrich-Straße hinauf in die Glockengasse, hinein in die Stollen. Noch waren wir ja in den Stollen mit dem Elend der in diesen Stollen Zuflucht suchenden, sehr oft nichts anderes als ihren plötzlichen Tod findenden Menschen konfrontiert gewesen, mit schreienden Kindern, hysterisch schreienden Frauen, mit den vor sich hinweinenden alten Menschen. Noch hatte ich Geigenunterricht, noch war ich dem Diktat des Geigenlehrers Steiner und seinen vernichtenden Äußerungen gegen mich ausgesetzt, mußten die deprimierenden Gänge zu Steiner und von Steiner durch die Wolf-Dietrich-Straße gegangen werden. Noch hatte ich in den Büchern zu lesen, in welchen ich nicht lesen habe wollen, noch in die Hefte zu schreiben, was ich nicht hineinschreiben wollte, Wissen in mich aufzunehmen, das mir immer widerwärtig gewesen war. Noch waren wir in der Nacht, sehr oft nicht erst vom Alarm, sondern schon von den ersten Bomberschwärmen aus den Betten gerissen, am hellichten Tage überrascht von den Bomberverbänden in der Luft, in deren Dröhnen hinein erst Alarm gegeben worden ist, was auf ein völliges Chaos in der Nachrichtenübermittlung hindeutete. Die Zeitungen waren angefüllt mit den Schreckensbildern des Krieges, und der sogenannte Totale Krieg kam näher und näher, er war ja jetzt auch in Salzburg schon fühlbar geworden, die Vorstellung, daß die Stadt nicht bombardiert werde, war ausgelöscht. Und von unseren Vätern und Onkeln als Soldaten hörten wir nichts Gutes, viele von uns haben während dieser Internatszeit ihre Väter oder Onkel verloren, die Meldungen von Gefallenen häuften sich. Ich selbst hatte lange Zeit nichts von meinem Vormund, dem Ehemann meiner Mutter, der in Jugoslawien, von meinem Onkel, dem Bruder meiner Mutter, der die ganze Kriegszeit in Norwegen eingerückt gewesen war, gehört, die Post funktionierte nicht mehr, und was sie übermittelte, war immer traurig oder gar erschreckend gewesen und in vielen Fällen in nächster Nähe eine Todesnachricht. Noch hörten wir aber hinter vielen Mauern in der Stadt Nazilieder singen, und wir selbst hatten noch immer im Tagraum Nazilieder angestimmt, die, als alter Chorleiter, der Grünkranz mit kurzeckigen Bewegungen seiner langen halbeingezogenen Arme dirigierte. Alle zwei Monate war ich auf ein Wochenende zu den Großeltern gefahren und von dort über die eigentlichen Vorgänge des endenden Krieges informiert gewesen, mein Großvater hatte immer am Abend und in der Nacht, hinter zugezogenen Vorhängen, wie ich mich erinnere, ausländische, vor allem Schweizer Nachrichtensendungen aus dem Radio gehört, und ich war sehr oft während dieser Sendungen still daneben gesessen und hatte, wenn auch nichts von dem Mitgeteilten verstehend, so doch die Wirkung, die diese Nachrichten auf meinen Großvater als aufmerksamen Zuhörer gehabt haben, beobachtet. Diese verbotenen, aber von den Großeltern abgehörten Nachrichtensendungen, die den Nachbarn meiner Großeltern nicht verborgen geblieben waren, haben durch einen Hinweis dieser Nachbarn meinem Großvater einen Zwangsaufenthalt in einem in der näheren Umgebung seines Wohnortes von der sogenannten SS kontrollierten ehemaligen Kloster als Lager eingebracht. Noch hatte ich mich schon eine Viertelstunde nach dem Aufstehen im Studierzimmer einzufinden, um mich auf den Unterricht in der Andräschule vorzubereiten, wobei keiner von uns gewußt hat, auf
was
vorbereiten, weil ja gar kein Unterricht im eigentlichen Sinn mehr stattgefunden hat. Noch hatte ich die zunehmende Angst vor dem Grünkranz, der mich, gleich wo er mir begegnete, ohrfeigte, grundlos, meinen Namen nennend, er tauchte auf, nannte meinen Namen und ohrfeigte mich, als wäre ihm dieser Vorgang, nämlich das von ihm aus gesehen plötzliche Auftauchen meiner Person wo immer, selbstverständlicher Anlaß gewesen, mich zu ohrfeigen. Es war in der ganzen Internatszeit keine Woche vergangen, in welcher ich nicht ein paarmal von dem Grünkranz eine Ohrfeige bekommen habe, aber vor allem bin ich von ihm geohrfeigt worden, wenn ich in der Frühe zu spät in das Studierzimmer gekommen bin, und ich bin immer zu spät in das Studierzimmer gekommen, weil ich durch die Brutalität der Stärkeren im Schlafsaal und im Waschraum und wieder im Schlafsaal und auf den Gängen immer wieder abgedrängt worden war. Und wie mir, so ist es einigen anderen, Schwächeren oder Schwachen, ergangen, die sich nicht wehren hatten können und tagtäglich Opfer der Starken, wenn auch oft

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