Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)
ist gewesen, der Existenz auf die Spur zu kommen, der eigenen wie den andern. Wir erkennen uns in jedem Menschen, gleich, wer er ist, und sind zu jedem dieser Menschen verurteilt, solange wir existieren. Wir sind alle diese Existenzen und Existierenden zusammen und sind auf der Suche nach uns und finden uns doch nicht, so inständig wir uns darum bemühen. Wir haben von Aufrichtigkeit und von Klarheit geträumt, aber es ist beim Träumen geblieben. Wir haben oft aufgegeben und wieder angefangen, und wir werden noch oft aufgeben und wieder anfangen. Aber es ist alles
egal
. Der Mann aus der Scherzhauserfeldsiedlung mit seinem Preßlufthammer hat mir mein Stichwort gegeben, daß alles egal ist. Es ist das Wesen der Natur, daß alles egal ist.
Servus
und
es ist alles egal
, seine Worte höre ich immer wieder, seine Worte, obwohl die seinigen auch die meinigen sind und obwohl ich selbst sehr oft gesagt habe
Servus
und
es ist alles egal
. Aber es mußte zu diesem Zeitpunkt gesagt werden. Ich hatte es schon vergessen. Wir sind zu einem Leben verurteilt, und das heißt lebenslänglich, für ein oder für viele Verbrechen, wer weiß?, die wir nicht begangen haben oder die wir wieder begehen, für andere nach uns. Wir haben uns selber nicht aufgerufen, wir waren aufeinmal da und im Augenblick auch schon verantwortlich gemacht. Wir sind widerstandsfähig geworden, uns kann nichts mehr umwerfen, wir hängen nicht mehr am Leben, aber wir verschleudern es auch nicht zu billig, hatte ich sagen wollen, aber ich hatte das nicht gesagt. Manchmal erheben wir alle unseren Kopf und glauben, die Wahrheit oder die scheinbare Wahrheit sagen zu müssen, und ziehen ihn wieder ein. Das ist alles.
Der Atem
Eine Entscheidung
Da die Menschen unfähig waren, Tod, Elend, Unwissenheit zu überwinden, sind sie, um glücklich zu sein, übereingekommen, nicht daran zu denken.
Pascal
Es war, das zeigte sich dem noch nicht Achtzehnjährigen schon bald nach den von mir jetzt mit dem Willen zu Wahrheit und Klarheit zu notierenden Ereignissen und Geschehnissen nichts als nur folgerichtig, daß ich selbst erkrankte, nachdem mein Großvater plötzlich erkrankt war und in das nur wenige hundert Schritte von uns gelegene Krankenhaus hatte gehen müssen, wie ich mich erinnere und wie ich noch heute genau vor mir sehe, in seinem grauschwarzen Wintermantel, den ihm ein kanadischer Besatzungsoffizier geschenkt hatte, so unternehmend ausschreitend und seine Körperbewegung mit seinem Stock taktierend, als wollte er einen Spaziergang machen wie gewohnt, an seinem Fenster vorbei, hinter welchem ich ihn beobachtete, nicht wissend, wohin ihn, den einzigen wirklich geliebten Menschen, dieser Spaziergang führte, ganz sicher in traurig-melancholischer Gefühls- und Geistesverfassung, nachdem ich mich von ihm verabschiedet hatte. Das Bild ist mir wie kein zweites: der von einem angesehenen Salzburger Internisten einer von diesem nicht näher bezeichneten
Merkwürdigkeit
wegen zu einer klinischen Untersuchung, möglicherweise zu einem kleineren chirurgischen Eingriff, wie ausdrücklich gesagt worden war, ins Landeskrankenhaus Aufgeforderte verschwindet an einem Samstagnachmittag hinter der Gartenmauer unseres benachbarten Gemüsehändlers. Es muß mir klar gewesen sein, in diesem Augenblick war eine entscheidende Wende in unserer Existenz eingetreten. Meine eigene, durch meinen fortgesetzten Unwillen gegen Krankheitszustände unausgeheilte Krankheit war wieder, und zwar mit geradezu erschreckender Heftigkeit, ausgebrochen. Fiebernd und gleichzeitig in einem schmerzhaften Angstzustand, war ich schon einen Tag, nachdem mein Großvater das Krankenhaus aufgesucht hatte, unfähig gewesen, aufzustehen und in die Arbeit zu gehen. Aus dem Vorhaus, wo ich, aus Platzmangel und aus hier nicht näher zu erörternden, mir auch nicht vollkommen klaren familiären Gründen, mein Bett gehabt hatte, durfte ich, wahrscheinlich, weil allein der Anblick meines Zustandes eine solche Maßnahme als unbedingt und ganz einfach als selbstverständlich erfordert hatte, in das sogenannte Großvaterzimmer. Jetzt war es mir möglich, jede Einzelheit in dem Großvaterzimmer einer genaueren Betrachtung, ausgestreckt im Bett des Großvaters, jeden einzelnen ihm so lebensnotwendigen, mir auf die nützlichste Weise so vertrauten Gegenstand einer langen, ja ununterbrochenen Prüfung zu unterziehen. Größerer Schmerz und gesteigerte Angst hatten mich von Zeit zu Zeit abwechselnd meine Mutter oder meine
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