Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
versetzendes Wahrnehmungsvermögen gehabt, von allen Seiten hatten mich Hände, mir war vorgekommen, eine Unzahl von Händen, ohne daß ich diese Hände und auch nicht die zu diesen Händen gehörenden Menschen hätte sehen können, aus meinem Bett heraus und auf eine Tragbahre gehoben und gezogen und geschoben und in dicke Decken gewickelt und schließlich, alles war mir verschwommen und in der größten Undeutlichkeit, durch den ganzen, wie mir vorgekommen war, von Hunderten von Leidensgeräuschen angefüllten Krankensaal hinaus auf den Gang befördert und durch den langen, mich vollkommen aus dem Gleichgewicht bringenden Gang mit seinen unendlich vielen offenen und geschlossenen, von Hunderten, wenn nicht Tausenden von Patienten bevölkerten Zimmern in eine, wie mir vorgekommen war, enge, kahlgraue Ambulanz gebracht, in welcher mehrere Ärzte und Schwestern beschäftigt waren, deren Gespräche oder auch nur einzelne Wörter oder auch nur Rufe ich nicht verstehen hatte können, die aber ununterbrochen miteinander gesprochen und immer wieder etwas gerufen hatten; wie ich mich auch noch an die Tatsache erinnere, daß plötzlich, nachdem meine Bahre abgestellt gewesen war, gleich neben der Tür neben einer anderen Bahre, auf welcher ein alter Mann mit einem vollkommen verbundenen Kopf gelegen war, mehrere ärztliche Instrumente zu Boden gefallen waren, an das fürchterliche Aneinanderschlagen von Blechkübeln, dann wieder Lachen, Schreien, Zufallen von Türen, wie plötzlich hinter mir Wasser aus einem Leitungshahn in eine Emailschüssel heruntergelassen, der Leitungshahn abrupt wieder zugedreht worden war; mir war vorgekommen, gerade in diesem Augenblick hatten die Ärzte eine Reihe von mir unverständlichen lateinischen Wörtern gesprochen, nur für sie bestimmtes Medizinisches, darauf waren wieder Befehle, Anweisungen, Geräusche von Gläsern, Schläuchen, Scheren, Schritte zu hören gewesen. Ich selbst hatte während dieser Zeit wahrscheinlich die unterste Grenze meines Wahrnehmungsvermögens erreicht und folglich auch keinerlei Schmerzen mehr. Mir war nicht klar gewesen, in welchem Teil des Krankenhauses ich mich zu diesem Zeitpunkt befand, auch hatte ich keine Ahnung von der Lage des Krankensaales, ich muß mich in Fußbodennähe befunden haben, weil ich so viele Beine gehen gehört und gesehen habe, und allem Anschein nach waren die Ärzte und Schwestern außer mit mir mit vielen anderen Patienten beschäftigt gewesen, ich selbst hatte aber die längste Zeit den Eindruck, ich sei in die Ambulanz hereingelegt und dann auch schon vergessen gewesen, daß sich um mich überhaupt niemand kümmerte, hatte ich gedacht, weil alle in der Ambulanz immer nur an mir vorübergingen, einerseits hatte ich das Gefühl, bald erdrückt zu sein und ersticken zu müssen, andererseits war mein Zustand ein leichter, schwereloser. Noch hatte ich nicht gewußt, was eine solche mir angekündigte Punktion bedeutete, weil ich die erste an mir vorgenommene infolge meiner Bewußtlosigkeit gar nicht wahrgenommen hatte, aber gleich, was mir bevorstand, ich hatte mich längst in alles gefügt, und ich hätte alles mit mir geschehen lassen, ich hatte infolge der mir in der Zwischenzeit bereits verabreichten Medikamente keinerlei Willenskraft mehr, nur noch Geduld und auch keinerlei Angst, gleich, was auf mich zukommen sollte, nicht die geringste Angst, von dem Augenblick an, in welchem ich aufeinmal schmerzfrei war, hatte ich keine Angst mehr, alles in mir war nur noch Ruhe und Gleichgültigkeit. So hatte ich schließlich vollkommen widerstandslos von der Bahre gehoben und auf einen mit einem weißen Leintuch zugedeckten Tisch gesetzt werden können. Mir gegenüber war ein großes, mattes, undurchsichtiges Fenster gewesen, und ich hatte versucht, solange als möglich auf dieses Fenster zu schauen. Wer mich stützte, weiß ich nicht, ohne diese Stütze aber wäre ich augenblicklich kopfüber nach vorn gefallen. Ich fühlte mehrere Hände, die mich hielten, und ich sah ein Fünf-Liter-Gurkenglas neben mir. Die gleichen Gurkengläser hatten wir im Geschäft. Was jetzt komme, sei notwendig und in ein paar Minuten auch schon wieder vorbei, hatte ich hinter mir von dem Arzt gehört, der dann die Punktion vorgenommen hat. Ich kann nicht sagen, daß das Durchstechen des Brustkorbes schmerzhaft gewesen war, aber der Anblick des Gurkenglases neben mir, in welches der rote Gummischlauch, der mit der Punktionsnadel verbunden war, die in meinem Brustkorb

Weitere Kostenlose Bücher