Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Losbinden.“
Er schien plötzlich nur noch in Stichworten reden zu können. Ankes Magen rebellierte. Vor Ohnmacht wurde ihr schlecht. Wolf setzte sich widerwillig in Bewegung und befreite Swami und Fred von ihren ungewollten Fesseln. Fred versetzte Wolf anschließend einen Kinnhaken. Er fiel rücklings zu Boden. Anke eilte trotz der Gefahr sofort zu ihm und half ihm wieder auf die Beine. Seine Nase blutete. Er tastete sofort nach seinen Zähnen, ob noch alle vorhanden waren. Benommen schüttelte er seinen Kopf und hielt sich die Hand unter seine blutende Nase. Anke fingerte aus ihrer Hosentasche ein zerknittertes Papiertaschentuch und reichte es ihm, dachte dabei, ob nun das Werk vollendet und sie Cara wieder auf dem Tisch fesseln würden. Noch während sie das dachte, sprach Fred ein Machtwort.
„Wir sollten hier schleunigst verschwinden.“
Also doch nicht. Anke fühlte sich in ihrem Elend erleichtert.
„Bind die Beiden fest“, befahl Simeon seinem Jünger Fred und schob Cara vor sich her zum Opfertisch.
„ Beeil dich!“ rief er Fred von dort zu. Anke sah, wie Cara sich mit beiden Händen an den Längsseiten der geöffneten Luke aufstützte und schwerfällig ihren Körper nach unten gleiten ließ. Simeon sprang in die Tiefe und Swami folgte, an das Messer in seinem Rücken anscheinend gewöhnt. Er warf noch einen prüfenden Blick durch den Raum, als könne er etwas vergessen haben. Also scheint es nicht tief zu sein, registrierte Anke blitzschnell. Fred hatte es mit einem Mal sehr eilig, dementsprechend nachlässig erledigte er seine ihm aufgetragene Aufgabe und sprintete hinterher. Kaum hatte Fred ihr den Rücken zugedreht, wickelte Anke mühelos ihre Hände aus der locker umschlungenen Kordel. Anschließen erlöste sie Wolf, obwohl Fred bei ihm noch etwas gründlichere Arbeit geleistet hatte. Ohne ein Wort zu wechseln, hechteten sie vor. Wolf sprang ohne zögern als erster ins Dunkle. Anke sah von oben im diffusen Licht der Fackeln nur schemenhaft seinen Kopf, erkannte seine Hand, die er ihr entgegenstreckte. Sie setzte sich auf den Lukenrand, griff sie und ließ sich nach unten plumpsen. Nun war es finster. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, aber viel mehr als vorher erkannte sie danach auch nicht.
„ Verlaufen können wir uns hier jedenfalls nicht“, meinte sie bissig.
„ Aber wir müssen fast kriechen“, erwiderte Wolf. „Bis zur Decke sind es höchsten einen Meter plus minus.“
Mit beiden Händen tasteten sie sich in gebückter Haltung an der Tunnelwand entlang. Weit vorne vernahmen sie die schwachen Geräusche der Flüchtenden.
Die Angst, die Öffnung am Ende würde sich vor ihren Augen schließen und sie in der Dunkelheit den entsprechenden Knopf oder Hebel oder sonst eine technische Raffinesse nicht finden lassen, trieb sie atemlos voran. Sie hörten Cara hin und wieder durch Schmerzen ausgelöste Laute von sich geben. Mit ihrem dicken Bauch in gebückter Haltung diesen engen Tunnel zu durchpreschen, war sicherlich zu dem Schock eine zusätzliche Quälerei für sie. Diese Satansbrüder würden Cara nicht aus ihren Klauen lassen, bis Simeon sein irrsinniges Vorhaben erledigt hatte. Anke hörte einen Schlag und wusste sofort, die Luke hatte sich geschlossen.
„ Scheiße“, entfuhr es ihr zum zweiten Mal an diesem Abend. „Die scheint jedenfalls nicht automatisch zu gehen“, kommentierte sie das Geräusch.
Nach wenigen Schritten hatten sie das Ende des Tunnels erreicht. Wolf schnaubte. Anke spürte ihn neben sich mit dem Hemdsärmel unter die Nase fahren.
„Blutet es immer noch?“
Statt einer Antwort ging Wolf in die Hocke und sank auf den Boden. Anke hielt sich noch einen Moment in der unnatürlichen Pose, bis auch sie ihre Beine spürte und es ihm gleich tat. Eine Weile hockten sie schweigend in der Dunkelheit. Anke glaubte plötzlich, zu ersticken. Und sie fühlte sich schuldig. Niemals hätte sie zulassen dürfen, dass Wolf mit nach Berlin kam. Er schien ihr doch erheblich sensibler, als sie bisher angenommen hatte. Die Ereignisse hatten ihrer beider Grenzen überschritten. Das wurde ihr just klar. Ihr Herz drohte vor der ungeheuerlichen Angst in ihr zu zersprengen. Anke wehrte sich mit all ihren Gedanken und Gefühlen dagegen, von ihr verschlungen zu werden, den Kopf zu verlieren und verloren zu sein. Sie musste an die satanistische Lehre denken, in der es hieß, wenn man sich überwindet, Dinge zu tun, die man schrecklich findet, erweitert man sein
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