Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
involviert. Wenn auch auf eine andere als die gewohnte Weise. Diesmal kam es von außen und nicht durch Anke. Trat hier das bekannte Gesetz der Serie in Kraft? Jetzt musste er sie erreichen. Aber zum Kochen war ihm die Lust vergangen. Egal, wie hungrig sie sein würde. Er wählte die Nummer der Redaktion und erfuhr, dass Anke schon fort war.
„ Mist!“ Er sollte sie nicht erreichen.
Erschrocken sah er zur Bürotür. Sie öffnete sich mit dem ihr eigenen leichten knarrenden Geräusch. Im Zimmer stand Anke und lächelte ihn spitzbübisch an. Wolf hielt vor Überraschung die Luft an. Anke breitete die Arme aus, als wollte sie sagen: Da bin ich, ich kann’s nicht ändern. Er ging auf sie zu und nahm sie in seine Arme. Sollte er ihr von seinen mehrfachen vergeblichen Versuchen, sie zu erreichen, erzählen? Nein, entschloss er sich, ihre bissige Abfuhr wieder vor Augen. Anke stutze plötzlich.
„Was stimmt denn mit deinem Gesicht nicht?“
„ Alles, alles stimmt damit.“
„ Ach nein.“ Sie stöhnte auf. „459 Euro umsonst ausgegeben.“
„ Ich trage das Leichtgestell zur Bügelfaltenhose, in Ordnung?“
Anke lachte herzhaft.
„Du Bär, ich liebe dich, dich und deine olle Brille, deine wilden langen Haare, deinen ungestylten Bart und und und.“
„ Oben, mein Schatz, warten unser angebrochener Franzose und anderweitige Neuigkeiten.“
6
Satan repräsentiert Güte gegenüber denen, die sie verdienen, anstatt Verschwendung von Liebe an Unbekannte
(Satanisches Gebot)
Im Morgengrauen nahm der Mann das Kind an seine Hand, führte es im Schein der Taschenlampe wieder den langen Gang zurück und weiter die Treppe hinauf bis zur Haustür. Diesmal hielt Cara die Augen geöffnet, denn nun ging es zurück in ihr warmes Bett. An der Tür ließ der Mann sie los. Er klopfte von innen zwei Mal dagegen und Sekunden später kam von draußen die Antwort. Cara kannte das schon. Der Mann streckte seinen langen schwarz umhüllten Arm aus und zog die Tür einen Spalt auf. Im Lichtkegel der Taschenlampe erschien Simeon Vronhoff. Als Cara ihren Vater erblickte, schoss sie hinter dem Mann hervor und rannte durch die Tür. Wie immer, obwohl sie wusste, dass es vorbei war, versteckte sie sich sofort hinter des Vaters Rücken. Die beiden Männer trennten sich wie gewohnt ohne Worte. Sie kannten sich nur durch diese nächtlichen flüchtigen Begegnungen. Caras schmale eiskalte Hand suchte die des Vaters. Lasch umfasste Simon ihr kleines Greiforgan, das sich an seiner Pranke festkrallte.
Auf der Rückfahrt saß Cara wie jedes Mal allein hinten im Wagen. Ihr Körper bibberte noch immer. Auch diese Nacht sprach Vater Simeon auf der gesamten Fahrt kein Wort mit seiner Tochter.
Wie so oft, wenn er Cara von dieser düsteren zwielichtigen Gestalt, wer immer sich auch dahinter verbarg, abholte, schlugen seine Emotionen eine Brücke zu einem anderen dubiosen Wesen. Simeon hing in schweren Gedanken bei seinem Vater Viktor Vronhoff, dem Anführer ihrer satanischen Glaubensgemeinschaft. Auf ängstliche Weise liebte und verehrte Simeon ihn. Diese dunkle und manchmal unheimliche Person, die beladen mit ihren dunklen Träumen und ihrem Größenwahn, den sie zu erreichen suchte oder wenigstens den Mythos davon. Äußerlich hatte sich Simeon zu einem Abbild seines Vaters entwickelt. Der Sohn trug ebenfalls seine Haare lang und weit über die Schultern wallend, oft zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sein sehr heller Teint und die glasklaren blauen Augen erschienen im Gegensatz zu seinen pechschwarzen Haaren wie ein Irrtum der Natur und verliehen seinem Erscheinungsbild etwas Hervorstechendes. Etwas besonders Einmaliges, das die Menschen verwirrte und dazu veranlasste, ihn hypnotisiert zu betrachten wie ein exotisches Tier. Simeons Augen konnten sich in ein magisches leuchtendes dunkles Blau verfärben, dass sich sein Gegenüber in die Tiefen des Ozeans hinunter gezogen fühlte. Der schwarze Dreitagebart gab seinem weißen Gesicht etwas Gespenstisches und gleichzeitig Mystisches. All das verfehlte nicht seine Wirkung auf die Anhänger des Kultes.
Simeon war in mehreren Kinderheimen Berlins aufgewachsen. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr war seine Mutter an seiner Seite gewesen. An seinen Vater erinnerte er sich kaum. Nur schwach erreichte es die Grenze seines Bewusstseins, dass es da jemanden gegeben hatte, der eines Tages fern blieb.
Es waren unstete Jahre mit seiner Mutter gewesen. Sie beinhalteten ständige Wohnungswechsel und
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