Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
und ein Gefühlschaos in ihm ausgelöst, bis er den Mut fasste, mit seinem Vater darüber zu sprechen. Dieser hatte vor ihm gestanden und eindringlich gesagt: „Sie mich an, mein Sohn.“
Simeon tat es, spürte, wie ihm der Schweiß unter den Augen seines Vaters ausbrach. Viktor reckte sich. Simeon glaubte, der Brustkorb würde platzen. Gewaltig, vom ausströmenden Atem getragen, ergossen sich die Worte, die Viktor an seinen Sohn richtete:
„Mein Sohn, ich lobe dich. Du bist auf dem richtigen Weg. Du entwickelst dich zu einem würdigen Nachfolger meiner tragenden Person.“
Zum ersten Mal erfuhr Simeon von Anton Szandor LaVey, dem Gründer der ‚Church of Satan’.
„LaVey“. Hochachtungsvoll sprach Viktor den Namen aus. „Er ist unser großes Vorbild. Unter anderem proklamierte er: ’Satan repräsentiert eine uralte dunkle Seite in der Natur, mit deren Hilfe man sein eigenes Leben erfolg- und genussreicher gestalten kann. Sex und Sinnesfreuden, also alle sogenannten christlichen Sünden – führen dann zu wahrer Befriedigung. Deshalb können sie ohne Reue und soviel man will, praktiziert werden.“
Simeon verstand zu der Zeit noch nicht die Bedeutung der Worte, beherzigte das, was er aus ihnen erahnte und stellte alsbald und ohne Irritation fest, wie er diese schaurig schönen Gefühle genießen konnte. Er lernte früh, dass nackte Frauen, vor allem unberührte, im Teufelskult ein wichtiges Requisit sind.
Von nun an erfuhr der Junge gut dosiert täglich mehr. Er lernte die Biografie LaVeys auswendig und nach und nach all das, was ein guter Satanist wissen musste. Die neun satanischen Gebote, das Gesetz Satans bis hin zu den vier Kronprinzen der Hölle und ihren Kreaturen. Simeon fühlte sich stark und bestätigt. Es schmeichelte ihm, Ansehen und Macht zu erlangen. Er hatte, und tat es auch heute noch, jegliche Gedanken an die Widersprüchlichkeit in den Dingen blockiert.
In übler Erinnerung allerdings lag Simeon die Schulzeit. Mit den anderen Kindern der satanischen Loge besuchte er die öffentliche Schule zehn Querstraßen weiter. Er war froh, als er die Hauptschule hinter sich lassen konnte. Seine Mitschüler hatten ihn als auch die anderen Kinder der Glaubensgemeinschaft wegen ihrer merkwürdigen Ansichten oft gehänselt. Auch, weil sie in einer Kommune lebten und keine richtige Familie besaßen. Simeon hatte das kompensiert durch aggressives und verletzendes Verhalten bis hin zu körperlichen Angriffen.
In der Glaubensgemeinschaft jedoch fand er das gewünschte Ansehen.
„ Gott schuf den Sex, mein Sohn, erfreue dich daran“, deklamierte sein Vater und Anführer, als Simeon dreizehn war. Nach der schwarzen Messe im großen, extra dafür ausgerichteten Kelleraum des Hauses, schob er ihm ein wenige Jahre älteres Mädchen an die Seite. „Sie tut alles, was du willst.“ Simeon dachte an die Frauen auf dem Opfertisch. Sofort stellte sich das für ihn erregende Gefühl ein. In Lissas Augen verspürte er die Angst vor seinem Vater, das erregte den Jungen noch mehr. Ergeben blickte das Mädchen auf den Boden, als Simeon sie von seinem Vater weg zog. Ihr schwarzer Umhang klaffte dabei kurz auf und zeigte ihre entblößte helle Haut. Am Ende des Raumes ließen sie sich auf eine der vielen Matratzen nieder und sahen zunächst stumm dem Treiben der Erwachsenen zu. Unter ihnen Kinder mit Jünglingen, Kinder mit Älteren. Die Erwachsenen tranken Alkohol, rauchten ein stark riechendes Zeug und frönten dem Sex, bis es orgiastische Ausmaße annahm. Zwischendurch flößten sie auch den Kindern Alkohol ein. Lissa schien den Geschmack des Wodkas zu kennen. Sie zögerte nicht lange, als ihr ein Glas hingehalten wurde, und trank es in einem Zug leer. Simeon brauchte länger. Lissa verführte ihn unter ängstlichen Blicken, mit denen sie seinen Vater suchte.
Von diesem Abend an nahm Simeon an allem Teil, was die Glaubensgemeinschaft zu bieten hatte. Später, mit vierzehn, machte er sich so seine Gedanken. Er erkannte er, dass sein Vater Alkoholiker war, stets eine Flasche Wein oder Wodka in seiner Nähe. Auch war der alte Mann besonders jungen Mädchen zugetan. Wenn es Simeon ekelte oder ihm Zweifel kamen, schob er sie beiseite und studierte die satanischen Schriften. Was ihm allerdings nicht gefiel und was er sich häufig fragte, warum sein Vater trank? Dass er vom Alkohol stark abhängig war, zeigte Simeon, dass sein bewunderter Vater im Grunde ein schwacher Mensch war. Und das wollte Simeon nicht werden,
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