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Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Titel: Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Misko
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obgleich er auch gerne trank, rauchte und kiffte.
     
    Simeon oblag in der Sekte die Mission, neue Mitglieder anzuwerben. Mittlerweile war er zwanzig, ein Meter neunundachtzig groß, drahtig, schlank, ein überzeugter Satanist und dem Kult sehr verbunden. Die ihm aufgetragene Mission mehr als gut zu erfüllen nahm er sehr ernst.
    In einer Kneipe für Abgeknickte lernte er 1981 Nora Wichert kennen. Als er die schummrige Wirtschaft betrat, sah sie ihm von ihrem Barhocker mit glanzlosen braunen Augen entgegen. Ihre dunkelrot angemalten Lippen stellten einen krassen Gegensatz zu ihrem blassen Gesicht dar. Ihre liebreizende Figur zwängte sich in ein äußerst knappes, schwarzes Minikleid. Die langen Beine schmeichelten in hellen Satinstrümpfen. Halterlos, wie Simeon sofort entdeckte und passend zu ihrem bleichen Gesicht. Beine, die beeindruckend vom hohen Barhocker bis auf den Boden ragten. Intuitiv fühlte sich Simeon zu dieser Frau hingezogen, denn sie wirkte durch ihre Kleidung unbewusst auf ihn wie ein Mädchen aus seinem Kreis. Zwischen den Fingern hielt sie einen Joint. Die Frau schien aber auch das ideale Opfer zu sein, vom Leben verprellt und entmutigt. Simeon entwickelte emotional sofort Interesse für Nora. Ihre kastanienbraunen Haare trug sie streng zurückgekämmt. Nicht eine Strähne hing ihr ins Gesicht. Unterhalb ihrer Ohren wölbte sich ihr Haar in einer dicken Naturwelle nach außen. Simeon stellte sich neben sie an die Theke, sah Nora mit schräger Kopfhaltung aus seinen blauen Augen an, die alsbald in der Farbe des Ozeans schimmerten, lächelte und schnippte mit den Fingern zur Theke:
    „ Noch so einen Drink für die Lady in Black.“
    Nora lachte laut und freudig. Sie lachte oft, um ihrem tristen Leben kontra zu bieten. Ihre Augen jedoch blieben dabei glanzlos. Glanz erzeugten zum Ausgleich ihre weißen, ebenmäßigen Zähne. Nora war siebzehn.
    „Ich bin oft hier. Meine Mutter ist keine Mutter. Sie säuft viel und ist selten zu Hause. Meinen Alten kenne ich gar nicht“, vertraute sie Simeon an und inhalierte lang anhaltend. „Eigentlich wollte ich Ärztin werden. Jetzt steh ich hier ab und an hinterm Tresen und schenke Bier aus. In der übrigen Zeit sitze ich davor.“
    Simeon sah sie lange durchdringend an.
    „Ich hatte mal für kurze Zeit Eltern. Eines Tages verschwand erst der männliche Teil, bald darauf der weibliche. Als Kind habe ich gestottert, bin drei Mal sitzen geblieben, habe aus Angst kaum gesprochen. Meine Lehrer dachten, ich sei schwachsinnig und ließen mich in Ruhe.“
    Nora vergaß, an ihrem Joint zu ziehen und starrte ihn nur an. Er sprach weiter.
    „Ich träumte davon, eines Tages einmal etwas ganz Großes, Besonderes und Wichtiges zu sein, bewundert und geachtet zu werden, ja auch gefürchtet zu sein, Macht zu haben über andere, wie sie Macht über mich hatten.“
    „ Und?“ fragte Nora.
    „ Ich bin auf dem Weg dahin.“
    Simeon spendierte ihr noch fünf Drinks. In ihrem vom Alkohol benebelten Zustand erzählte er ihr im SingSangTon von seiner religiösen Gruppe. Von der Geborgenheit, die sie in ihr finden würde. Von der Stärke, die von dieser Gemeinschaft ausging und auf sie überspringen würde. Er bemerkte, dass Nora Mühe hatte, ihren skeptischen Blick gerade auf ihn gerichtet zu halten. Er ließ nicht locker. Wenn sie auch jetzt angetrunken war, etwas von dem, was er ihr suggerierte, würde sich in ihrem hübschen Köpfchen festsetzen.
    „Du musst meine Brüder und Schwestern kennenlernen. Sie geben dir den Halt, den Halt, hörst du, den du suchst – und ich bin auch noch da.“
    Er küsste sie beinahe brüderlich auf die Wange. Nora verzog die Lippen und inhalierte erneut. Simeon brachte sie nach Hause.Von nun an trafen sie sich regelmäßig eine Woche lang jeden Abend in der Kneipe für Abgeknickte. Am Siebten war Nora bereit und folgte Simeon in die Kommune.
     
    Sektenführer Viktor Vronhoff war Eigentümer eines dieser typischen großen alten Berliner Häuser. Es lag am Ende einer Sackgasse und war wie ein Reihenhaus mit einer Seite dem Nachbargebäude verbunden. Es stand direkt an der Straße ohne Hinterhöfe mit weiteren Häusern. Hinter dem Objekt befand sich ein recht geräumiger verwilderter Garten. Er war durch seinen Wildwuchs an Büschen, Sträuchern und Bäumen von außen nicht einsehbar. Zum Nachbargrundstück hin grenzte eine zwei Meter hohe Mauer das Eigentum ab. Gegenüber des Hauses auf der anderen Straßenseite erstreckte sich ein alter

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