Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
seine Frau für sich. 1983 wurde Cara in die Sekte hineingeboren.
7
Nichts hat irgendeine Bedeutung – außer der Bedeutung, die du ihm gibst
(Anthony Robbins)
„ Das arme Kind“, stöhnte Anke.
Sie legte die Kladde auf den Tisch, griff das Glas mit dem funkelnden roten Ahrwein und nahm mehrere Schlucke.
„Was glaubst du“, meinte Wolf, „hat Mutter Nora oder Cara selbst das alles geschrieben?“
„ Simeon scheidet immerhin aus“, meinte Anke, „es war ein weibliches Wesen, denn der Absender sprach von Verfasserinnen. Jedenfalls ist alles aus großer Distanz und mit wenig Emotionen wiedergegeben.“
„ Was bedeutet, die Schreiberinnen haben sich intuitiv selbst geschützt, konnten sich nicht tiefer einlassen aus der unbewussten Angst vor den Schmerzen, die damit einhergehen.“
„ Sagt dein psychologischer Scharfsinn.“
„ Du beneidest mich doch nur darum, gib’s zu.“
Anke winkte ab.
„Lies weiter“, antwortete Wolf auf diese Geste.
Anke atmete tief durch, griff nach ihrem Glas,und hielt es Wolf mit der stillen Aufforderung hin, nachzuschenken. Unvermittelt schaute sie hinüber zu dem geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke. Dieses Jahr hatten sie ihn in Blau gehalten.
„So spannend die Lektüre auch ist“, bemerkte Anke, „ ich denke, wir sollten uns allmählich auf den Hl. Abend einstellen. Ich will mich jetzt auch von diesen Zeilen zwischen den roten Deckeln“, sie blickte zur Kladde auf den Tisch, „nicht weiter runter ziehen lassen. Den jetzigen Stand der Lektüre kann ich grad noch verkraften und wieder verdrängen.“
Sie sprang auf, schüttelte ihre roten Locken und streckte sich ausgiebig.
„Ich ziehe mich um und du gehst schon mal in die Küche. Ach übrigens. Sie nickte keck. Was gibt’s denn heute als Weihnachtsschmaus?“
„ Arbeitsteilung“, nahm Wolf mit ernster Miene Stellung. „Ich bin für die Getränke zuständig und du richtest gleich die kalte Platte trockener Brote.“
Anke sah ihn einen Moment verdutzt an, dann lachte sie los, zog ihn aus dem Sessel und umarmt ihn. Sie küssten sich lange. Anschließend griff sie seine Hand und zog ihn ins Schlafzimmer.
„Hl. Abend ist Bügelfaltenhose angesagt.“
Wolf ließ ihre Hand los und sah sie an.
„Aber nicht zum Kochen.“
Anke setzte nichts dagegen, sprach aber entschieden:
„Schatz, du musst deinen Schnauzer mal wieder trimmen und deiner drahtigen Haarpracht die Schere eines Fris...“.
Wolf drückte seine flache Hand auf ihren Mund und küsste wie ein kleines Kind auf die Stirn. Dann verschwand er mit schnellen Schritten in die Küche. Von dort hörte Anke ihn rufen: „Du könntest wenigstens den Job des Handlangers übernehmen!“
Anke erschien auf seine Worte hin, wie sie war in Höschen und BH. Wolf schüttelte den Kopf.
„ Ach, deck lieber den Tisch und schalte die Lichterkette am Baum an.“
„ Daankee!“
Sie huschte tänzelnd aus der Küche hinüber zum Wohnzimmertisch. Dort schnappte sie sich entschieden die roten Hefte und ließ sie in Wolfs Schreibtisch verschwinden. Heute Abend sollte nicht einmal der bloße Anblick ihre Stimmung drücken. Es war Hl. Abend. Sie schlüpfte ins kleine Schwarze, tänzelte zurück in die Küche, wo Wolf zwischen köchelnder Gemüsecremesuppe und dem noch offenem Backofen mit den drei Rebhühnern den langen Reißverschluss ihres engen Kleides zuzog. Nebenan hörte Anke ihr Handy klingeln.
„Au backe, wer mag das sein? Nu mach schon.“
„ Es hakt oben.“
Die langsam ansteigende Melodie von Beethovens Neunte zwang Anke, wie der Blitz zu ihrem Handy zu flitzen.
„Du solltest dir das Ding in deinen Körper einarbeiten lassen“, maulte Wolf und schloss die Backofentür.
„ Mach ich im nächsten Leben.“
Das Gespräch währte nur kurz.
„Es schellt hier gleich mal kurz“; rief Anke anschließend Richtung Küche.
Wer?!“
„Unser kleiner Redaktionspraktikant!“
„ Warum?!“
Anke stand in der Türschwelle.
„Warum?“, wiederholte Anke, „weil ein Weihnachtspäckchen für mich in der Redaktion angekommen ist, der Kleine zufällig hier in der Nähe wohnt und es mir freundlicherweise vorbei bringt. Und jetzt mach mir endlich den Reißverschluss zu.“
„Ich liebe solche kurzfristigen Überraschungen“, tönte Anke fröhlich, als sie das Päckchen in den Händen hielt. Es war in buntem Weihnachtspapier gewickelt. Versehen mit einem fein säuberlich weißen Aufkleber, auf dem in ebenfalls säuberlicher
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