Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
ich in Berlin bin.“
„ Nicht die Bohne.“
„ Das ist gut, bis dann, morgen Abend bin ich wieder in Bonn.“
„ Werde es weiterleiten, bis dann“, schloss Birgit
Wie benommen drückte Anke ihr Handy aus. Ging wie in Trance zur Rezeption, nahm stumm den Zimmerschlüssel entgegen und ließ sich in ihrem Zimmer aufs Bett fallen. Ihre Gedanken kreisten, kombinierten, verloren sich wieder, bis sie erschöpft einschlief.
Der Klingelton ihres Handys weckte sie am nächsten Morgen. Verdutzt sah sie an sich herunter. Sie hatte die ganze Nacht in voller Kleidung geschlafen. Nach Dietrich Hauffs Anruf glaubte sie, keine Zeit mehr für ein sorgfältiges Make up zu haben. Hastig band sie ihre Locken zurück, entschied sich statt der üblichen Lederhose für die Jeans und kombinierte sie über dem Top mit einem Blazer.
Kriminalkommissar Walter Albrecht wies sie an, vor seinem Schreibtisch, Platz zu nehmen. Anke fixierte den unförmigen Bauch, der ihr in einem ockergelben Hemd entgegen sprang, über das wie zwei endlos wirkende Ameisenstraßen schwarz-grau gepunktete Hosenträger liefen. Ein farbloses graues Jackett hing hinter ihm über der Stuhllehne. Anke betrachtete den Mann vor ihr einen Moment irritiert. Hatte sie doch unbewusst geglaubt, einen forschen, agilen Beamten anzutreffen, aber Albrecht passte voll in das Bild der ihrer Meinung nach damals gescheiterten Ermittlungen. Nun benötigte sie einen Moment, um ihre Erwartung zu korrigieren, ehe sie direkt zur Sache kam.
„ 30. April 1995, erinnern Sie sich, Sekte Apostel Diabolus. Sie haben damals die Ermittlungen geführt.“
Der Kommissar sah sie groß an.
„Und?“
„ In dem Haus sollen Menschopferungen stattgefunden haben, wissen Sie etwas davon?“
„ Albrecht lehnte sich gemächlich in seinem Bürosessel zurück und betrachtete sie amüsiert.
„ Erstens, wer sind Sie? Zweitens, woher wollen Sie das wissen und drittens, warum?“
Anke biss sich auf die Lippen. Im Eifer hatte sie vergessen, sich vorzustellen und holte das sogleich nach. Auf die zweite Frage erklärte sie, dass sie recherchiert hätte und auf die dritte:
„Ich arbeite an einer Artikelserie über Sekten. Seien Sie doch einfach so freundlich, und erzählen Sie mir, was Sie wissen“, säuselte sie mit Samtstimme. Mit geneigtem Kopf schaute sie ihn lächelnd an. Es verfehlte auch diesmal seine Wirkung nicht.
„ Wir wissen nur von einem Sektenmord. Ein abtrünniges Mitglied, das in einer Pension gefunden wurde. Dieser Mord wurde Viktor Vronhoff, dem Führer, angelastet, der sich aber durch Selbstmord der Strafe entzogen hat.“
„ Dieses ermordete Mitglied soll aber Informationen über Menschenopferungen im Schuh gehabt haben.“
„ Sie sind gut informiert. Leider haben wir aber niemals etwas gefunden. Weder Hinweise auf Tier- noch auf Menschenopfer. Nicht mal den Ort, wo sie angeblich schwarze Messen abgehalten haben sollen. Also junge Frau, keine Leichen oder Leichenteile. Auch nicht im Garten hinter dem Haus, der umgegraben wurde.“
Sie werden sie doch nicht gegessen haben, dachte Anke, und fragte:
„Und der Sohn, Simeon Vronhoff?“
„ Gegen den lag nichts vor. Wir mussten ihn damals wieder laufen lassen. Er hat sich nicht erneut auffällig verhalten. Auch konnten wir beobachten, dass sich die Truppe in dem Haus aufgelöst hat. Bisher ist nie wieder etwas vorgefallen.“
„ Wissen Sie etwas von einem Gartengrundstück am Rande Berlins?“
Der Beamte sah sie merkwürdig an und schüttelte den Kopf.
„Wissen Sie, junge Frau, Ihr Eifer in allen Ehren, aber wir können gegen Sekten erst vorgehen, wenn sie sich strafbar gemacht haben, also, ihnen Morde, sprich tatsächlich Menschenopferungen, Kindesmissbrauch etc. nachgewiesen werden können. Das war hier aber nicht der Fall. Und nur, weil es sich um eine Sekte handelt, haben wir keine Handhabe.“
Anke war nahe daran, ihr bisheriges Wissen aus den Kladden preiszugeben, einzig, um diesem hochnäsigen Bullen eins draufzugeben.
„Sie sind wirklich witzig, Frau Journalistin, also“, Albrecht lachte, „wenn sie uns Leichen bringen, legen wir sofort los.“
Anke stand auf. Albrecht lächelte sie müde an. An der Tür drehte sie sich um und lächelte genauso müde zurück.
„Wie sagte mal ein weiser Mann: ’Menschen irren. Aber nur große Menschen erkennen ihren Irrtum’. Wiedersehen.“
Am Flughafen erreichte sie Holgers Anruf. Sofort platze er damit raus, dass er das Grundstück gefunden hat. „Es
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