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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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wieder.
    »Nur das Protokoll ist in einem Wo«, sagte der Schatten. »In einem Wo-Wann-Punkt.« Er schien es zu genießen, ihre Fragen zu beantworten. Er hatte aufgehört zu flackern, und seine Worte waren nun synchron mit seinen Lippenbewegungen. Seine Bewegungen wirkten vertraut, freundlich, anmutig. Ich fühlte eine gewisse besitzergreifende Zuneigung zu ihm, da ich wußte, daß er eine idealisierte Version meiner selbst war.
    »Was wollen sie?« fragte Hvarlgen.
    »Sich mitteilen.«
    »Durch dich?«
    »Die Kommunikation wird das Protokoll beenden. Die Verbindung ist nur einmalig.« Der Schatten schaute direkt in unsere Richtung, aber er schaute uns nicht an. Es schien immer so, als blicke er auf etwas, das wir nicht sehen konnten. Er war still, als warte er auf die nächste Frage.
    Als niemand etwas sagte, begann das Bild zu verblassen und wieder geisterhaft zu werden.
    Und der Schatten wand sich in der Schüssel zu meinen Füßen ins Dasein. Er schien sogar noch deutlicher als vorhin zu sein. Ich konnte Sterne hinter ihm erkennen. Es war, als ob man Sterne sieht, die sich in einem Schwimmbecken widerspiegeln; ich hatte dabei allerdings das ausgeprägte (und unbehagliche) Gefühl, daß ich nach oben schaute. Ich tastete sogar meinen Nacken mit der Hand ab.
    Das war es für den ersten Tag. Wir hatten drei Sitzungen gehabt, und Hvarlgen war der Meinung, das sei genug. Dr. Kim fragte uns, ob wir mit ihm 4-D-Monopoly spielen wollten. Er hegte eine Leidenschaft für dieses Spiel mit seinen steilen Pfandrampen und Zeitbefreiungswürfeln. Während wir spielten, sahen sich die Lunies im Grand Central Spielfilme an. Wir hörten aus der Entfernung Gewehrschüsse und Westernmusik durch den Tunnel dringen.
     
    Den nächsten Morgen begannen wir mit einen gemächlichen Frühstück. Ich war noch auf meiner Monddiät, hatte aber sowieso keinen Appetit. Auf dem Plakat über der Kaffeemaschine stand: D = 77.
    »Wie viele Stunden sind es noch bis Sonnenaufgang?« fragte ich.
    »Ich bin mir nicht sicher; etwas weniger als siebenundsiebzig«, antwortete Hvarlgen. Aber das war kein Problem. Obwohl Houbolt nicht mehr auf die Verhältnisse, die bei einem lunaren Tag herrschen, eingerichtet war, wäre es trotzdem auch in dieser Zeit ein angenehmer Ort gewesen, mit Ausnahme des lunaren ›Mittags‹ – und im Notfall hätte man auch diesen überstehen können. Nach Hvarlgens Plan sollte Johnny Hier kurz nach Sonnenaufgang ankommen und uns fortbringen.
    Hvarlgen rollte durch den Tunnelgang voran zur Krankenstation, gefolgt von mir und den Lunies. In Ost roch es stark nach FriedFind, was anzeigte, daß Dr. Kim schon eine Zeitlang wach war. Er schlug vor, selbst eine Frage stellen zu dürfen, und Hvarlgen stimmte zu.
    Ich war halt nur das gemietete Arschloch. Ich zog die Hose aus, und die Schüssel glitt zwischen meine Füße. Der Schatten mißachtete mich (oder es schien zumindest so); er wand sich aus der Schüssel heraus ins Nichts. Diesmal war mir nicht übel. Er war wirklich wunderschön, glatt und schnell, wie ein tauchender Wal.
    »Hast du eine Nachricht für uns?«
    Das war Hvarlgens Frage gewesen. Ich schaute von der leeren Schüssel hoch und sah, daß der Schatten auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes stand – oder auf der gegenüberliegenden Seite des Universums.
    »Eine Kommunikation.«
    »Hast du ein Bewußtsein?«
    »Das Protokoll besitzt Bewußtsein, und ich bin das Protokoll.«
    »Wer unterhält sich mit uns?«
    »Das Andere. Kein Wer.«
    »Hat es Bewußtsein?«
    De Schatten sagte: »Ihr habt Bewußtsein. Das Protokoll hat Bewußtsein. Das Andere ist kein Wo-Wann-Band.«
    Es trat ein langes Schweigen ein. »Dr. Kim…«, sagte Hvarlgen. »Sie hatten eine Frage?«
    »Bist du ein Feynman-System?« wollte Dr. Kim wissen.
    »Das Protokoll ist ein Zweier-System.«
    »Wie groß ist die Entfernung?«
    »Keine Entfernung. Eine Wo-Wenn-Schleife.«
    »Woher kommt die Energie?«
    Wie zur Antwort begann der Schatten zu flackern und zu verblassen, und ich beugte mich über die Schüssel (obwohl ich nicht mehr glaubte, daß sich der Schatten noch in meinem Innern befand). Und wie ein dunkler, auftauchender Wal wand sich der Schatten zurück in seine Glasschüssel. Ich fragte mich, wie ein so kleiner Raum eine so gewaltige Ausdehnung enthalten konnte.
     
    Während die Lunies das Zimmer aufräumten und Hvarlgen zum Grand Central eilte, um zu telefonieren, zog ich meinen Stuhl an Dr. Kims Bett heran und leistete ihm

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