Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Promenade reichte das Meer fast bis an die Betonmauer heran.
    Der Wind war für die Jahreszeit ungewöhnlich heftig. Zur Linken, am östlichen Horizont, verlief eine dunkle Linie. Auf den ersten Blick hätte es ein Wolkenband sein können, aber bei genauerem Hinsehen erinnerte es mehr an eine Küstenlinie. Mr. Fox konnte sich nicht erinnern, dergleichen jemals zuvor gesehen zu haben, obwohl er seit zweiundvierzig Jahren jeden Tag hier vorbeispazierte.
    »Hund?«
    Mr. Fox schaute nach links. Neben ihm am Geländer der Promenade stand ein großer, etwas fülliger Afrikaner mit langen Rastalocken. Er trug einen Tweedmantel. Die Frage hatte eine junge Engländerin gestellt, die sich an seinem Arm eingehakt hatte. Sie hatte einen ziemlich blassen Teint, der von ihrem dunklen, strähnigen Haar noch hervorgehoben wurde. Sie trug ein Regencape, das naß glänzte, obwohl es nicht regnete.
    »Bitte?« fragte Mr. Fox.
    »Ist das ein Hund?« Die junge Frau deutete auf Anthony.
    »Wuff.«
    »Also, ja, zweifellos ist das ein Hund.«
    »Kann er nicht laufen?«
    »Natürlich kann er laufen. Aber manchmal will er eben nicht.«
    »Sollte er aber«, schnaubte sie verächtlich und drehte sich weg. Sie war nicht mehr ganz jung, bestimmt über zwanzig.
    »Nehmen Sie sie nicht ernst«, riet ihm der Afrikaner. »Haben Sie schon gemerkt, daß der Wind plötzlich umgeschlagen hat?«
    »Tatsächlich«, sagte Mr. Fox, »Sie haben recht.« Er wußte nicht, was er von ihr halten sollte, aber dem Afrikaner war er dankbar, daß dieser eine Unterhaltung begonnen hatte. Mit anderen zu reden, selbst über Belangloses, war in diesen Tagen schwierig, und es wurde von Jahr zu Jahr schwerer. »Vielleicht zieht ein Sturm vor der Küste auf?«
    »Ein Sturm?« fragte der Afrikaner verwundert. »Ich fürchte, Sie wissen es noch gar nicht. Sie brachten es vor Stunden im Fernsehen. Wir machen inzwischen fast zwei Knoten Richtung Südwest, umschiffen Irland und steuern dann raus aufs offene Meer.«
    »Raus aufs Meer?« Mr. Fox blickte über die Schulter zur Kings Esplanade und auf die Gebäude dahinter, die nicht anders aussahen als sonst. »Brighton steuert hinaus aufs Meer…?«
    »Sollte er aber«, sagte die Frau.
    »Ich rede nicht nur von Brighton, Mann«, sagte der Afrikaner. Zum ersten Mal konnte Mr. Fox einen leichten karibischen Akzent aus seiner Stimme heraushören. »Ganz England ist unterwegs!«
    England unterwegs? Wie außergewöhnlich. Auch in den Gesichtern der anderen Spaziergänger auf der Promenade konnte Mr. Fox den ganzen Tag lang Anspannung und Nervosität beobachten. Der Wind roch salziger als sonst, während er weiterging, um pünktlich zu seinem Tee zu sein.
    Fast hätte er Mrs. Oldenshield die Neuigkeit erzählt, als sie ihm sein Kännchen und den Teller mit Keksen brachte. Aber selbst Sensationen schafften es nicht, sehr weit in ihren Tearoom vorzudringen, und selbst diese verlor ihre Bedeutung, als er sein Buch aufschlug und darin zu lesen begann.
    An diesem Tag, so stellte sich heraus, las Lizzie endlich den Brief von Mr. Camperdown – er war der Anwalt der Familie Eustace –, nachdem sie ihn zuvor drei Tage lang ungeöffnet mit sich herumgetragen hatte. Wie Mr. Fox es nicht anders erwartet hatte, ging aus dem erhaltenen Schreiben hervor, daß die Familie von Lizzies verstorbenem Mann die Diamanten zurückverlangte. Als spontane Reaktion darauf erwarb Lizzie eine Stahlkassette.
    Der Aufbruch Englands war das Thema in allen BBC-Nachrichten. Das Königreich steuerte nach Südwesten auf den Atlantik hinaus, und glaubte man dem Nachrichtensprecher im Fernsehen über der Bar bei Pig & Thistle, wo Mr. Fox gewohnt war, ein Glas Whisky mit Harrison, dem Barkeeper, zu trinken, bevor er sich auf sein Zimmer zurückzog, betrug die Geschwindigkeit inzwischen exakt 1,8 Knoten.
    In den sechzehn Stunden, die seit der ersten Entdeckung des Phänomens vergangen waren, hatte England eine Strecke von fünfunddreißig Meilen zurückgelegt. Dabei setzte es den weiten Bogen um Irland herum fort, um aufs offene Meer hinaus zu gelangen.
    »Irland macht es uns nicht nach?« fragte Mr. Fox.
    »Irland ist seit 7.21 Uhr unabhängig«, sagte Harrison, der oft Andeutungen machte, Verwandte bei der IRA zu haben. »Irland wird England wohl kaum auf die sieben Meere folgen.«
    »Ja, aber was ist mit…? Sie wissen schon.«
    »Den sechs Grafschaften? Geographisch haben die sechs schon immer zu Irland gehört, und so wird es auch bleiben«, sagte Harrison. Mr. Fox

Weitere Kostenlose Bücher