Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
durchkämmen, »ein Schlamm, dem die Fäulnis vergessen geglaubter Verbrechen aus unserer Vergangenheit anhaftet, Verbrechen, von denen täglich neue und unglaublichere ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden«, erklärte dazu die BBC.
    Kein sehr patriotischer Standpunkt, dachte Mr. Fox, der sich vom Fernsehen wegdrehte und, an Harrison gewandt, sagte: »Haben Sie nicht noch Familie dort?«
    »In London? Kaum«, erwiderte der Barkeeper trocken. »Die hat es längst alle nach Amerika gezogen.«
     
    In der Jahreszeit, in der die Gipfel der schottischen Berge sonst von erstem Schnee hätten gekrönt sein müssen (gekrönt war ein passender Ausdruck, denn schließlich handelte es sich ja um schottische Berge), ertranken sie statt dessen unter subtropischen Regengüssen. Das Vereinigte Königreich passierte gerade die nördlichen Azoren.
    Das Wetter im früheren Süden (dem heutigen Westen) Englands war frühlingshaft schön. Die Mädchen und Jungen, die den Cricketplatz zu ihrer Spielwiese erkoren und ihre Drachen um diese Jahreszeit für gewöhnlich schon längst weggepackt hatten, trieben sich immer noch jeden Tag dort herum, sehr zur Begeisterung von Anthony, der eine Welt voller herumtollender Kinder als Geschenk an ihn ganz persönlich betrachtete.
    Our Daily Log, die populäre neue Abendshow der BBC, die jedesmal mit Bildern der Bugwelle, die von den Felsen Cornwalls zerteilt wurde, begann und auch wieder endete, berichtete über Schaulustige, die mit Teleskopen oder Camcordern ausgerüstet auf den Klippen von Dover standen und »Land Ahoi!« schrien, sobald sie die weit entfernten Landmassen der Azoren ausmachten.
    Der Alltag kehrte wieder zur Normalität zurück. Die Öffentlichkeit hatte (schenkte man den Nachrichten Glauben) begriffen, daß auch der mittlere Atlantik keines der zunächst befürchteten Schrecknisse barg. Die den Stadtbewohnern prophezeite ›Epidemie‹ von Seekrankheit war nie ausgebrochen. Bei gleichmäßigen 3,8 Knoten blieb Großbritannien von solchen Gebrechen verschont, selbst im heftigsten Sturm. Daraus konnte man beinahe schlußfolgern, daß die Insel eigens für eine solche Reise, die auf Komfort, nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt war, geschaffen worden sei.
    Natürlich standen ein paar der kleineren Inseln auf der Verlustliste, sie waren einfach in die Tiefe gerissen worden, doch der einzige bedeutende Schaden war an der Ost-(jetzt Süd-)Küste zu beklagen, wo die Strömung riesige Bereiche des weichen Grundes in der Küstenregion von Norfolk herausschwemmte.
    Die Nachrichten zeigten den König, wie er in bis zu den Hüften reichenden Stiefeln unter persönlichem Einsatz mithalf, die Marschgebiete gegen den Sog des Wassers zu sichern. In einer Pause versprach er seinen Untertanen, daß das Vereinigte Königreich, egal in welchen Gewässern es auch immer fahren mochte, stets der souveräne Staat bleiben würde, der es immer gewesen war. Als einer der Reporter mit schockierender Dreistigkeit wissen wollte, was man denn darunter verstehen solle, und ob er noch immer nicht wüßte, wohin es sein Königreich zog, antwortete König Charles sehr ruhig und sachlich, er hoffe, seine Untertanen stimmten mit ihm überein, daß es wichtiger sei, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen und darin zufriedenstellende Verhältnisse zu schaffen, als sich jetzt schon unentwegt mit Dingen zu beschäftigen, die irgendwann relevant werden könnten.
    Nach diesen Worten griff er, ohne sich weiter um die aufdringlichen Reporter zu kümmern, nach seiner silbernen Schaufel mit dem königlichen Wappen und nahm die unterbrochene Arbeit wieder auf.
     
    In der Zwischenzeit erregte sich ganz London über Lizzies Verlust. Oder den vermeintlichen Verlust, den sie erlitten hatte. Denn nur Lizzie selbst (und natürlich den Herren Fox und Trollope) war bekannt, daß sich die Diamanten gar nicht in der gestohlenen Stahlkassette befunden hatten, sondern – unter ihrem Kopfkissen.
    Der Brief von Mr. Fox’ Nichte kam wiederum einen Tag früher als sonst an, bereits am dritten des Monats, und unterstrich in dezenter Art und Weise, daß England in der Tat unterwegs war. Der Brief, den Mr. Fox wie gewöhnlich von hinten nach vorn las, schloß alarmierenderweise mit den Worten: »Ich freue mich darauf, Dich bald zu sehen!«
    Bald? Er drehte das Kuvert um und fand im Adreßfeld unter Großbritannien noch den Zusatz: »unterwegs nach Amerika.«
    Amerika? So etwas wäre Mr. Fox nie in den Sinn gekommen. Er prüfte nun

Weitere Kostenlose Bücher