Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)
Verwechslung mit Brede aufzuklären. Sag ihnen, wer ich bin, will er sie bitten, doch bevor es dazu kommt, wird er auf einen der Sitze niedergedrückt.
»Achtzehnte Reihe. Damit können Sie wirklich zufrieden sein. Das war der beste Platz, den wir kriegen konnten.«
Kommissar Viktor setzt sich neben ihn und legt eine Hand auf seinen Oberschenkel.
»Passen Sie genau auf, was Sie jetzt zu sehen bekommen, Glenne.«
Der Kommissar muss begriffen haben, wer er ist, weil er ihn nicht mehr Brede nennt.
Viktor dreht sich um und schnippt dreimal mit den Fingern. Am Ende des Saals steht ein altes Vorführgerät. Es wird von Rita bedient. Auf der Leinwand erscheinen Bilder. Das Licht ist grau. Die Kamera fängt ein paar Tannen ein, die alle keine Nadeln haben.
Ich will das nicht sehen.
Viktor legt ihm den Arm um die Schultern und hält ihn fest. Er versucht sich abzuwenden, doch auf der anderen Seite sitzt plötzlich jemand neben ihm. Er riecht nach rohem Fleisch. Es gelingt ihm nicht, seinen Kopf so weit zu drehen, dass er ihn erkennen kann.
»Wir hören erst auf, wenn Sie alles gesehen haben.«
Die Kamera nähert sich einem Weiher. Am Ufer steht ein Mann, der Stiefel, ein weißes Trikot und eine Melone trägt. In der Hand hält er einen Stein. Vor ihm, ihre schwarzen Haare fließen im Wasser, liegt eine nackte Frau. Sie hat eine blutende Kopfwunde. Ein Baumstamm versperrt der Kamera den Blick.
»Passen Sie auf, Glenne«, flüstert der Kommissar ihm ins Ohr, »passen Sie gut auf, dann werden Sie das Gesicht der Medusa erkennen.«
Die Kamera schwenkt zur Seite und zoomt sich heran. Der Mann am Ufer dreht sich um. Sein Gesicht füllt die gesamte Leinwand aus. Er grinst höhnisch, doch kein Lachen ist zu hören.
Er darf ihm nicht in die Augen sehen. Er reißt sich los und springt auf, brüllt wie ein Tier, um Viktors Stimme zu übertönen:
»Erkennen Sie sich, Dr. Glenne? Erkennen Sie endlich, wer Sie sind?«
38
Montag, 22. Oktober
D ie Dezernatsleiterin Agnes Finckenhagen hielt eine dampfend heiße Kaffeetasse in der Hand und hatte eine Zeitung vor sich auf dem Tisch liegen. Die Schlagzeile auf der ersten Seite von VG lautete: »Polizei verdächtigt Umweltterroristen.« Auf den nächsten drei Seiten ging es in allen Einzelheiten um die Durchsuchung einer Scheune in Åsnes. Angeblich führte die wichtigste Spur in den sogenannten Bärenmorden genau dorthin. Agnes Finckenhagen kam soeben von einer Besprechung mit dem Polizeipräsidenten und dem Polizeidirektor. Sie hatten eine Erklärung dafür gefordert, warum sie wichtige Ermittlungsergebnisse erst aus der Zeitung erfuhren. Eine geschlagene Stunde hatte sie ihnen Rede und Antwort gestanden und war doch eine plausible Erklärung schuldig geblieben. Am Ende wurde verfügt, dass sie noch am Vormittag einen umfassenden Bericht schreiben sollte.
Sie rief Viken an und bat ihn zu einem kurzen Gespräch. Unverzüglich!, hätte sie hinzufügen sollen. Doch Viken gehörte nicht zu den Leuten, die sich herumkommandieren ließen. Als sie ihre neue Stelle angetreten hatte, war ihr schnell klargeworden, dass Viken allgemein geschätzt wurde, und sie selbst arbeitete ausgezeichnet mit ihm zusammen. Anfangs war sie diesbezüglich skeptisch gewesen, vor allem, weil er sich um die Stelle bemüht hatte, die sie jetzt bekleidete. Doch hatte er sich ihr gegenüber niemals ablehnend oder illoyal verhalten. Er hatte sie vielmehr vom ersten Tag an akzeptiert und unterstützt, was ihr großen Respekt einflößte – ein Mann, der die gemeinsame Sache über seinen persönlichen Ehrgeiz stellte. Niemand hatte je bezweifelt, dass Viken einer der fähigsten Ermittler des gesamten Präsidiums war, und selbst die erfahrensten Kollegen waren ganz Ohr, wenn er etwas zu sagen hatte. Er hatte die Ermittlungen in mehreren Serienvergewaltigungen geleitet, und nahezu alle Fälle waren aufgeklärt worden. Von amerikanischen Profilern inspiriert, hatte er ein großes Gespür für Serientäter entwickelt und hielt inzwischen sogar Vorträge über den Zusammenhang zwischen Beweisstücken und der psychischen Konstitution des Täters. Agnes Finckenhagen fand diesen Aspekt äußerst interessant, machte jedoch die Erfahrung, dass nur wenige ihrer Kollegen dieses Interesse teilten. Sie hegte indes keinen Zweifel, dass die Entwicklung neuer Ermittlungsmethoden Viken am Ende recht geben würde. In dieser Hinsicht stand sie voll und ganz auf seiner Seite. Sie hatte selbst erlebt, wie ungeheuer geschickt Viken
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