Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Liblar habe in seinen Kellern wertvollen Schmuck und Tücher. Obwohl Weyers ausgekundschaftet hatte, wählte die Bande Mathias zum Anführer.
Weyers sollte nach Liblar fahren, sich bei dem Wirt ein Zimmer nehmen und pünktlich um Mitternacht die Haustür öffnen. Aber der Wirt wurde misstrauisch. Er schloss Weyers heimlich in seinem Zimmer ein. Zur verabredeten Stunde wartete Mathias mit vier Kumpanen auf das Öffnen der Eingangstür. Sie wurden ungeduldig. Einer nahm einen Stein und warf ihn wütend gegen das Wirtshausfenster. Es klirrte laut. Der Wirt riss die Haustür auf, fluchte und schimpfte in die Nacht. Sie schlugen ihn mit einem Knüppel nieder und plünderten die Keller. Dann suchten sie Weyers und befreiten ihn. Die Beute brachten sie zu einem versteckten Handkarren und deckten sie mit alten Säcken zu.
Bevor er den Befehl zum Abmarsch gab, ging Mathias langsam auf Weyers zu und beschimpfte ihn, seinen Plan in Gefahr gebracht zu haben. Es kam wieder zu einem Kampf zwischen Mathias und Adolph Weyers. Er endete damit, dass Weyers halb totgeschlagen und mit einem Messerschnitt quer durch das Gesicht von Mathias fortgejagt wurde. Er schleppte sich nach Aldekerke zur Rossschlächterei von Karl Hasselt und ließ sich von Sabine gesund pflegen. Heckmann zog zu der Hauptbande nach Krefeld. Mathias blieb in der Neußer Furt, Overtüsch ordnete sich ihm unter. So hatte Mathias eine eigene Bande.
Februar 1796
In dem kleinen, warmen Gastraum des ›Schwan‹ saßen Overtüsch und der Händler Mausche Pollack aus Mülheim an der Ruhr. Die Wirtin des ›Schwan‹ hatte ihnen gerade die Weinkrüge zum zweiten Mal bis zum Rand gefüllt und sich wieder an ihren Tisch gesetzt. Sie hatte ihre Stickarbeit aufgenommen und zog einen neuen Faden ein.
Der alte Mausche Pollack hob den Krug: »Augustin, auf den Tipp und meinen Golddukaten!« Overtüsch stieß mit Mausche an. Der Händler trank und setzte den Krug mit einem Knall auf den gescheuerten Tisch. »Weißt du, ich wollt den Tipp eigentlich dem Heckmann verkaufen, nicht so einem jungen Kerl. Wie alt ist der Fetzer eigentlich?«
»Ich glaub achtzehn, aber im Kopf hat er es wie ein alter Fuchs.« Overtüsch brüllte durch den Schankraum: »Was, Wirtin? So viel Geld haben wir lange nicht mehr gehabt.«
Die Frau sah von der Handarbeit auf. »Wenn ihr nicht so rumhuren würdet, wärt ihr schon reicher als ein Kardinal.« Mausche beugte sich über den Tisch. »Warum nennt ihr ihn Fetzer? Klaut der so gut?«
»Er klaut besser als ’ne Elster, aber ich war auch dabei, wie er den Adolph Weyers mit Fäusten und Messer fertiggemacht hat, richtig zerfetzt hat er ihn. Im Kampf ist der kein Mensch, der Weyers ist wie eine halb gestochene Sau abgekrochen. Die Haare haben ihm büschelweise gefehlt, und quer durchs Gesicht hat er so einen Schmiss gehabt.« Overtüsch spannte Daumen und Zeigefinger. »So einen Riss! Deshalb heißt er bei uns Fetzer.«
»Warum habt ihr dem Schönen nicht geholfen?«
»Weil der Lackaffe beinahe alles versaut hat. Deshalb. Mann, Mausche, wir haben noch nie so viele Dukaten gehabt. Wein und Weiber! Das wär nicht ohne den Fetzer.«
Die Wirtin schenkte nach. »Der Mathias ist anders als ihr. Der ist nicht nur in irgendeinem Puff zu Hause. Der hat eine Frau, bald ist er Vater. Der ist was anderes. Der kann lesen und sogar schreiben. Ich mag den Fetzer.«
Mausche lachte: »Da hast du’s, Augustin. Wenn du’s hier hast«, er tippte sich an die Stirn, »dann kriegst du Geld, und die Weiber wollen dich auch.«
Der alte Händler aus Mülheim griff nach seinem Bauchladen, den er auf dem Nachbartisch abgesetzt hatte. Er trug die Messer, Pfeifenköpfe, Tabakdosen und Stickbänder nur noch zur Tarnung mit sich herum. Er kannte alle Schlupfwinkel der Bande in den Gebieten links und rechts des Rheins. Er war mit Hehlern und Puffmüttern befreundet. Er verdiente sein Geld durch das Anbringen von guten Tipps und durch die Briefe und kleinen Zettel, die er zuverlässig ablieferte.
»Weißt du, Augustin, vor dem Krieg gab es nicht so viele Banden wie heute. Da hatten es die Räuber noch schwer, überall wurden sie gejagt. Sobald die da oben sich wieder einig sind, wird es euch genauso gehen wie den Räubern vor dem Krieg. Sie werden euch fangen, ich weiß das.«
»Aber nicht, wenn der Fetzer bei uns ist. Der ist schlauer als jeder Gendarm. Ich bin gern bei ihm Offizier.« Overtüsch wischte sich den Schweiß in die Haare und schneuzte neben den Tisch auf den
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